âSind Sie sich ganz sicher, dass der Mindestlohn nicht zu hunderttausenden Arbeitslosen fĂŒhrt?â, erinnerte sich Andrea Nahles an eine Frage von Kanzlerin Angela Merkel vor zehn Jahren. Damals war Nahles Ministerin, und der Bundestag hatte kurz darauf gegen den heftigen Widerstand von Teilen der Wissenschaft und der Wirtschaft den Mindestlohn beschlossen.
Dieses JubilĂ€um war ein guter Anlass, um bei âKerstin Griese trifft ⊠Andrea Nahlesâ im voll besetzten BĂŒrgerhaus BiLo ĂŒber guten Lohn fĂŒr die Arbeit zu sprechen. Nahles, die heute Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur fĂŒr Arbeit ist, berichtete weiter, dass Merkel ein Jahr spĂ€ter die SachverstĂ€ndigen fragte: âWo sind sie denn, die Arbeitslosen?
Kerstin Griese unterstrich, dass der Mindestlohn weder damals noch heute bei der erheblichen Erhöhung zu Beginn der aktuellen Wahlperiode Jobs gefĂ€hrdet habe. Die noch vor dem Ukrainekrieg versprochene Mindestlohnsteigerung sei gekommen, als die Inflation auf fast zehn Prozent stieg, so Andrea Nahles. âDas war die richtige Entscheidung. Man muss immer schauen, was die wirtschaftliche Lage hergibt.â
Eine groĂe aktuelle Herausforderung sei der FachkrĂ€ftemangel, waren sich Griese und Nahles einig. âEs ist ein Verdienst von Arbeitsminister Hubertus Heil, dass wir jetzt auch BeschĂ€ftigte beraten könnenâ, sagte die Arbeitsagentur-Chefin. âWenn wir erfahren, dass eine Firma zumacht, dann warten wir nicht ab. Sondern erfassen das Profil der BeschĂ€ftigten.â Die Bundesagentur ĂŒbernehme dann die Vernetzung zwischen abgebenden und aufnehmenden Unternehmen. âDie Lage hat sich verĂ€ndert.â Trotz leicht steigender Arbeitslosigkeit gebe es gleichzeitig mehr Chancen, FachkrĂ€fte zu vermittelnâ, erlĂ€uterte Nahles eine Folge des ArbeitskrĂ€ftemangels.
âDer Sinn des BĂŒrgergeldes ist es, Langzeitarbeitslose durch Qualifizierung in Jobs zu bringenâ, korrigierte Kerstin Griese die vielen Falschmeldungen insbesondere der Bild-Zeitung. âDas BĂŒrgergeld hieĂ frĂŒher Hartz IV und wir konnten damit 17 Jahre Erfahrungen sammelnâ, so Nahles. Was gar nicht gut funktioniert habe, war der damalige âVermittlungsvorrangâ, weil die Leute nach kurzer Zeit wieder ins Jobcenter kamen. âDenn eine nachhaltige Vermittlung in Arbeit ohne eine verbesserte Qualifikation war nicht möglich.â Beim BĂŒrgergeld gebe es diese Regelung nicht mehr, sondern die Weiterbildung und Qualifizierung stehe im Vordergrund. Andrea Nahles beklagte, dass jetzt alles diffamiert und verhetzt werde. Richtig sei es, ĂŒber einzelne Korrekturen zu sprechen: âSanktionen, da wo es notwendig ist, sind ok â also bei etwa drei Prozent. Jetzt kehrt die Politik dahin wieder zurĂŒck. Da hĂ€tte man sich manche Kurve sparen können.â
Ein wichtiges Ziel sei laut Nahles auch eine âgeordnetereâ Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. âDeutschland muss sich daran gewöhnen, ein Einwanderungsland zu sein. Wie schaffen wir eine Willkommenskultur?â, fragte Nahles und kritisierte die viel zu komplizierte Anerkennung auslĂ€ndischer BerufsabschlĂŒsse.
Auf die Publikumsfrage, wie man Asylbewerber schneller in Jobs vermitteln könne, antwortete Andrea Nahles: âEine HĂŒrde ist die deutsche Sprache. Die Arbeitsgeber fragen danach.â In anderen LĂ€ndern, etwa den Niederlanden, gelinge manches besser, weil sie die Menschen auch mit englischen Sprachkenntnissen in den Arbeitsmarkt integrieren. Arbeiten und gleichzeitig die Sprache zu lernen treffe in Deutschland leider auf wenig Akzeptanz. Kerstin Griese betonte, dass die Bundesregierung nach 2015/16 viel geĂ€ndert habe. âNach drei Monaten darf man arbeiten und kann sofort einen Integrationskurs beginnen.â Die, die damals gekommen sind, seien bei den MĂ€nnern inzwischen zu 80 Prozent in Arbeit. Mit dem neuen âJobturboâ sei es jetzt möglich, GeflĂŒchtete schneller in Jobs zu bringen, so Griese.