SPD und Kirchen: So fern – so nah

„So fern – so nah“ hieß die Tagung zum VerhĂ€ltnis zwischen der 150-jĂ€hrigen SPD und den Kirchen, die im Französischen Dom in Berlin stattfand. 150 Jahre alt zu werden, sei kein Ausdruck von SchwĂ€che, zitierte Wolfgang Thierse zu Beginn einen Zeitungskommentar.

„Erst die Öffnung zu den Kirchen durch das Godesberger Programm hat aus der SPD eine Volkspartei gemacht“, sagte Thierse, der einer der Sprecher des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD (AKC) ist. „Unser Bild vom Menschen ist anders als die VerkĂŒrzung, die der Markt vornimmt, der den Menschen als Arbeitskraft oder Konsument kennt. Die SPD versteht sich als eine Partei der SolidaritĂ€t, und zwar nicht nur der nationalen SolidaritĂ€t“, so Thierse. Es gebe genug Stoff fĂŒr Gemeinsamkeiten zwischen Sozialdemokratie und Kirche. „Alleinseligmachend, sprich alternativlos – das gibt es in der Politik nicht.“

Ex-Familienministerin Christine Bergmann berichtete anschließend im GesprĂ€ch mit der AKC-Sprecherin Kerstin Griese von ihrem Aufwachsen in der DDR. „Junge Gemeinde, das war der Klassenfeind“, sagte Bergmann zum VerhĂ€ltnis zwischen Staat und Kirche. Griese erzĂ€hlte, dass sie die DDR in der evangelischen Jugendarbeit ĂŒber ihre dortige Partnergemeinde kennengelernt habe. Deswegen sei sie nie auf die Idee gekommen, dass das dortige System etwas mit Sozialismus zu tun gehabt habe. Christine Bergmann betonte, dass die Hoffnung, die Willy Brandt aufrecht erhalten habe, mit dem Fall der Mauer Wirklichkeit werden konnte. „Wo habe ich die SPD gefunden: Das Statut der SDP war an der Gethsemanekirche angepinnt.“ Die CDU sei eine der Blockparteien gewesen, deshalb seien kritische Protestanten nicht auf die Idee gekommen, zu dieser Partei zu gehen.

In der Podiumsdiskussion sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, dass im VerhĂ€ltnis zwischen Kirche und SPD lĂ€ngst die Sachfragen im Vordergrund stĂŒnden. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider erzĂ€hlte aus dem Arbeitskampf um Krupp Rheinhausen. Zwar habe es wegen der kirchlichen Beteiligung zunĂ€chst Skepsis auf Seiten der IG Metall gegen, was sich aber bald erledigt habe. „Das hatte etwas zu tun mit den gemeinsamen Erfahrungen.“ Die WĂŒrde der Menschen, die Achtung vor den kleinen Leuten, zĂ€hlte Schneider die Herausforderungen auf. „Das Evangelium will die Welt verĂ€ndern“, betonte der EKD-Ratsvorsitzende.

„Wir sind eine multireligöse Gesellschaft, keine sĂ€kulare“, betonte der Historiker Paul Nolte in der Diskussion. Es gebe auch Wut und Hass auf die Religion, berichtete die Zeit-Journalistin Mariam Lau von der Diskussion ĂŒber die Beschneidungen von Jungen. „Es gibt antireligiöse Effekte“, bestĂ€tigte Frank-Walter Steinmeier. Noch schwerer sei es, mit areligiöse Effekte umzugehen. „Es ist das schlichte UnverstĂ€ndnis, was der religiöse Ritus als Teil der Freiheit bedeutet“, so der SPD-Fraktionschef.

franzdom3Bei der Fortsetzung der Tagung im Bundestag setzte sich die Diskussion an diesem Thema fort. „In der öffentlichen Debatte wird alles durcheinandergebracht“, beklagte Kerstin Griese. „Die Entlassung eines homosexuellen Organisten, die Beschneidung, katholische KrankenhĂ€user, das kirchliche Arbeitsrecht, die Staatskirchenleistungen“, zĂ€hlt die Kirchenbeauftragte der SPD-Fraktion auf. „Neu ist eine aggressive Religionskritik.“ Mit dem Zeitpunkt des Gesetzes ĂŒber religiös motivierte Beschneidung von Jungen sei glĂŒcklicherweise Ruhe eingekehrt, sagte die SPD-Fraktionssprecherin fĂŒr Kirchen und Religionsgemeinschaften.

„Wir mĂŒssen von den Kirchen erwarten, dass sie sich beim Streikrecht bewegen“, aber auch die Gewerkschaften mĂŒssten ZugestĂ€ndnisse mache, betonte Griese. Es sei eine Aufgabe gerade fĂŒr die SPD, Kirchen und Gewerkschaften an einen Tisch zu bringen. Entscheidend sei ein allgemeinverbindlicher Branchentarifvertrag Soziales, der auch im Wahlprogramm der SPD gefordert werde.

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