Jürgen Dusel ist seit Mai Behindertenbeauftragter der Bundesregierung und war Gast bei „Kerstin Griese trifft …“ in Heiligenhaus. Der aus Brandenburg kommende Jurist ist fast blind und somit als Sehbehinderter selbst betroffen.
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Unmittelbar vor der Veranstaltung hatte Jürgen Dusel Marianne und Henning Muth getroffen, die Witwe und den Sohn des Erziehungswissenschaftlers Jakob Muth, der auch SPD-Ratsherr in Heiligenhaus war. Dieser sei ein Pionier der Inklusion gewesen, „er hat das Thema ‚gemeinsames Lernen‘ groß gemacht“, beschrieb Dusel Jakob Muth, zu dessen Erinnerung er den „Jakob-Muth-Preis für inklusive Schule“ vergibt. „Ich habe erst eine Förderschule besucht und habe dann an einer Gesamtschule Abitur gemacht“, erzählte Jürgen Dusel von seinen eigenen Erfahrungen in einer inklusiven Schule. „Inklusion hat nicht nur für Kinder mit Behinderung, sondern insbesondere für die Kinder ohne Behinderung große Vorteile“, wies er auf den großen Lerneffekt des gemeinsamen Lernens hin.Kerstin Griese kritisierte, dass die CDU-FDP-Landesregierung die schulische Inklusion in NRW einschränkt. Auch in der Diskussion mit dem Publikum wurde deutlich, dass die Ausstattung der Schulen nicht ausreicht. „Die Aufgabe der Inklusion möchte das NRW-Schulministerium nahezu ausschließlich den Gesamtschulen aufbürden, die eh schon die größten Herausforderungen wegen ihrer heterogenen Schülerschaft zu bewältigen haben“, bedauerte Griese.
Prägend für Dusel waren seine Jugenderlebnisse bei den Pfadfindern. „Mit mir Pfade finden geht schlecht“, sprach er seine Sehbehinderung an. „Mir ging es ums Zeltlager und ums Naturerlebnis. Die Pfadfinder bewachen nachts ihre Fahne. Ich war super in der Nachtwache.“ Dusel habe die konkurrierenden Pfadfindergruppen schon lange vor den anderen hören können. „Kinder bei ihren Fähigkeiten abholen, das ist Inklusion.“
„Arbeitsmarkt, Barrierefreiheit und Wahlrecht sind die drei Schwerpunkte, die sich das Arbeits- und Sozialministerium vorgenommen hat“, erzählte Kerstin Griese von den Themen, die Jürgen Dusel, Minister Hubertus Heil und sie verabredete haben. Jürgen Dusel wies darauf hin, dass ein Viertel aller Arbeitgeber nicht einen einzigen Behinderten beschäftigt. „Das ist inakzeptabel. Man stelle sich vor, wenn ein Viertel aller Autofahrer sich nicht an die Verkehrsregeln hält. Wenn alles nicht hilft, dann muss man über die Erhöhung der Ausgleichsabgabe nachdenken. Eigentum verpflichtet“, so Dusel. „Millionen von Behinderten machen jeden Tag einen guten Job.“
85.000 Menschen mit Behinderung dürfen nicht wählen, weil sie einen Betreuer für alle ihre Angelegenheiten haben, sprach Kerstin Griese ein Thema an, über das sie in den Koalitionsverhandlungen mit der Union hart diskutiert hat. Griese und Dusel hoffen, dass dieser Wahlrechtsausschluss bis zur Europawahl abgeschafft ist. „Mein Motto heißt ‚Demokratie braucht Inklusion‘“, so Dusel. „Es ist so eine Arroganz, jemandem das Wahlrecht vorzuenthalten.“