Wie viel an der Änderung eines Gesetzes hängt

Ein Praktiumsbericht von Johann Aschenbrenner

Der Mailzugang einer Bundestagsabgeordneten kann einen nervös machen. Manchmal trudeln Mails beinahe im Minutentakt ein. Korrespondenz aus der Fraktion, Einladungen zu Veranstaltungen, und – am allerwichtigsten – Bürgeranfragen.

im BMASDie Beantwortung dieser Anfragen spielt eine große Rolle in einem Abgeordnetenbüro. So habe ich viele Antwortentwürfe verfasst, die Kerstin Griese dann mit größeren oder kleineren Änderungswünschen freigab. Das mag etwas langweilig klingen, war aber tatsächlich recht spannend. Bei jeder Zuschrift muss man sich fragen, gerade bei etwas spezifischeren Themen: Was ist die Meinung der Partei dazu, was ist Kerstins Position, wie hat sich die Bundesregierung dazu positioniert? Der Tonfall und kleine Nuancen sind ebenfalls wichtig, sonst gibt man schnell eine Position wider, die man so gar nicht ausgeben wollte. Zum Teil waren die Themen der Anfragen sehr komplex und es brauchte Zeit sich hineinzuarbeiten. So war das bei einer Anfrage zu finanziellen Leistungen für Mutter-Kind-Kuren nach der Änderung des Infektionsschutzgesetzes im März. Das Müttergenesungswerk sah den Bestand der Kliniken für die Kuren durch die Änderung gefährdet. Hier wurde schnell klar, wie viel an der Änderung eines Gesetzes hängt und wie viele verschiedene Gruppen und Einrichtungen die Politik bei jeder Gesetzesänderung im Blick haben muss.

Ein anderes Thema, das ich häufig bearbeitet habe, war die Klimakrise und die Transformation zur Klimaneutralität. Hier gab es Anfragen, deren SchreiberInnen besorgt waren, dass es nicht schnell genug gehe mit dem Klimaschutz, andere machten sich Sorgen um die Energieversorgungssicherheit beim Umstieg auf die Erneuerbaren Energien. Sehr interessant war es in dem Kontext auch bei der Präsentation einer Studie vor der SPD-Fraktion zuzuhören, die sich damit auseinandersetzt, wie man Menschen in strukturschwachen Regionen am besten in den Wandel einbinden kann und ihnen die Möglichkeit gibt, aktiv mitzugestalten. Das ist denke ich eine der größten aber auch interessanten Herausforderungen, vor denen die Politik in den nächsten Jahren stehen wird: Einerseits das Klima konsequent zu schützen und gleichzeitig darauf zu achten, dass dies nicht zulasten der Schwächeren geschieht.

Natürlich habe ich im Praktikum auch andere Sachen gemacht, als nur Briefe zu beantworten. Zweimal habe ich bei der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der SPD zugehört. Das war besonders spannend, weil die Sitzungen in der Zeit stattfanden, in der auch das Energie-Entlastungspaket auf den Weg gebracht wurde und die Koalition um die richtigen Maßnahmen rang. Erhellend war, wie viele Detailfragen bei jedem Gesetzentwurf oder eben den Vorschlägen fürs Entlastungspaket geklärt werden müssen. Wer soll alles unter das Entlastungspaket fallen, wer nicht, wie bekommt man das Paket schnellstmöglich umgesetzt? Es ging, wie zu erwarten, auch häufig um Geld und wie man es für die eigenen Vorhaben zusammenbekommt.

Spannend war es auch, bei einem fraktionsoffenen Abend zur deutschen Verteidigungspolitik zuzuhören, wohlgemerkt in der Zeit des Überfall Putins auf die Ukraine. Es gerät beim Ukrainekrieg leicht in Vergessenheit, dass auch die Folgen des desaströsen Abzugs des Westens aus Afghanistan die deutsche Verteidigungspolitik weiterhin beschäftigen und man versucht, Einsätze der Bundeswehr zukünftig besser zu planen, zu evaluieren und vor allem klarere Ziele zu setzen. Interessant war auch die Diskussion, wie man die Bundeswehr besser ins gesellschaftliche Leben integriert und mehr Akzeptanz und Anerkennung für sie schafft. Sollten zum Beispiel Angehörige der Bundeswehr an Schulen über die Bundeswehr informieren oder gar für eine Karriere in der Bundeswehr werben?

Spaß gemacht hat mir auch, und das meine ich nicht ironisch, das Schreddern von Dokumenten, die beispielsweise vom Auswärtigen Amt als nur für den Dienstgebrauch gekennzeichnet waren. Ich kann also nur sagen, dass ich einen sehr interessanten Einblick erhalten habe, der meinem Politikstudium einen praktischen Einblick beifügt. Und auch mein anderes Studienfach wurde bedient:

Eine Führung durchs alte Reichstagsgebäude und ins Paul-Löbe-Haus bekam ich von der Büroleiterin Stephanie Lohr. Sie zeigte mir auch die „Ich war hier“-Inschriften der sowjetischen Soldaten, die Berlin 1945 befreit hatten, an den Mauern des Reichstags. Historisch interessant ist auch eine Linie in den Katakomben des Bundestages, die den Mauerverlauf nachzeichnet. Außerdem ist dort auch ein archaisches Stück Tunnel zu finden, ein Stück des Tunnels, der früher das Reichstagspräsidentenpalais mit dem Reichstag verband. Es gibt die Legende, dass die Nazis diesen Tunnel nutzten, um den Reichstag in Brand zu setzen.

Apropos Rechtsextreme: Wer auf den Fluren des Bundestages in Zeiten der Pandemie Abgeordnete der AfD identifizieren will, der muss ein einfaches Merkmal überprüfen, das lernte ich schon am ersten Tag: Trägt jemand keine Maske, dann ist er wahrscheinlich von der AfD.