âDie Welt ist aus den Fugen geratenâ, zitierte Kerstin Griese zur Eröffnung einer groĂen friedenspolitischen Tagung einen Satz von Frank-Walter Steinmeier. âTerror ist GotteslĂ€sterungâ, sagte Griese und wies darauf hin, dass Religion in vielen Konflikten der Welt instrumentalisiert werde.

Die SPD-Bundestagsfraktion kooperiert bei der DurchfĂŒhrung der Tagung mit dem AK Christinnen und Christen in der SPD.
âIn Angesicht von scheinbar unertrĂ€glichen Situationen trĂ€gst du Verantwortung fĂŒr dein Tun genauso wie fĂŒr dein Nichttunâ, sagt Frank-Walter Steinmeier zu einer Verpflichtung, die ein Sozialdemokrat und ein Christenmensch gleichermaĂen habe. Realismus sei gefordert, betont der AuĂenminister, der beispielhaft auf Syrien blickt. âEs ist eine moralische Pflicht, das BlutvergieĂen zu beenden.â Viele hĂ€tten zu lange geglaubt, die Beendigung des Syrienkonflikts sei allein mit militĂ€rischen Mitteln zu erringen.â Aber es gehe auch nicht ohne MilitĂ€r, betonte Steinmeier. Der IS hĂ€tte mit seiner Mischung aus âmittelalterlicher Barberei und Smartphoneâ ansonsten die gesamte Region erobert.
Heinz-Gerhard Justenhoven, Direktor des Hamburger Instituts fĂŒr Theologie und Frieden, wies auf die Frage hin, auf welche Weise Staaten ihre Interessen verantwortbar und ethisch legitim durchsetzen und dabei auch die Interessen der anderen mit in den Blick nehmen. FĂŒr sich selbst sollen Christenmenschen eine pazifistische Haltung einnehmen, sagte Hans-Richard Reuter vom Exzellenzcluster Religion und Politik MĂŒnster. Wenn man aber fĂŒr andere Verantwortung trĂ€gt, mĂŒsse man durchaus auf die âzwangsbewehrte Rechtsordnungâ zurĂŒckgreifen. âWir brauchen nicht nur Regeln, sondern auch Institutionen in der internationalen Politikâ, fĂŒhrte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf MĂŒtzenich aus. Er mĂŒsse die WidersprĂŒche in der internationalen Politik aushalten, die WidersprĂŒche aber auch benennen.
Niels Annen, auĂenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, unterstrich, wie nahe der Konflikt in Syrien an Deutschland herangerĂŒckt sei. Verstehen könne man die dortigen Konfliktursachen nur mit einem Blick auf die Geschichte und mit einem VerstĂ€ndnis fĂŒr die Angst der unterschiedlichen Minderheiten vor der Herrschaft der Mehrheit. Unterschiedliche Gruppen gegeneinander auszuspielen und sie zum Komplizen der Herrschaft zu machen â diese von seinem Vater entwickelte Herrschaftsmethode habe Baschar al-Assad âzur perversen Perfektionâ entwickelt, erlĂ€uterte Annen. Von den sĂ€kularen Herrschern, zu denen auch Assad gehört, habe man sich Toleranz erhofft. âStattdessen haben sie dem religiösen Fundamentalismus den Weg bereitetâ, so der SPD-AuĂenpolitiker.
Das aramĂ€ische Christentum sei in Syrien und im Irak vom Aussterben bedroht, sagte Daniyel Demir, Vorsitzender der AramĂ€er in Deutschland. âDie Christen waren elementarer Teil der Zivilbevölkerung.â Sie könnten auch in der Zukunft eine SchlĂŒsselrolle einnehmen. Sie hĂ€tten immer âziemlich gut als Mediator und Mittlerâ zwischen den Gruppen agiert, so Demir. âIch habe sehr viele Christen gesprochen, die auf dem Sprung sind, berichtete Ulrich Pöner von der Deutschen Bischofskonferenz aus GesprĂ€chen in FlĂŒchtlingslagern. âWir wĂŒnschen als Kirchen in Deutschland, dass möglichst viele Christen da unten bleibenâ, er sei aber gegen politische-administrative HĂŒrden, die die Menschen zum Bleiben zu zwingen. Barbara Stolleis berichtete, dass die Friedrich-Ebert-Stiftung mit Gruppen kooperiere, die teilweise im Exil seien und eher als Netzwerke zu verstehen seien, die mittels Internet und âauf abenteuerlichen Wegenâ funktionieren.
Die bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Diana Stachowitz fragte anschlieĂend nach den Chancen und Grenzen ziviler KonfliktprĂ€vention. âDie finanziellen Mittel fĂŒr KrisenprĂ€vention und humanitĂ€re Hilfe sind deutlich aufgestockt wordenâ, antwortete SPD-MdB Ute Finckh-KrĂ€mer. Der Vorrang fĂŒrs Zivile mĂŒsse zum Markenzeichen deutscher Politik werden, und zwar ressortĂŒbergreifend, sagte Brot-fĂŒr-die-Welt-Chefin Cornelia FĂŒllkrug-Weitzel. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler fordert, dass die Mandate fĂŒr BundeswehreinsĂ€tze nicht nur die militĂ€rische Seite umfassen sollten, sondern dass in Zukunft gleichzeitig auch das zivile Instrumentarium beschrieben werden mĂŒsse. âWir kommen sehr unverdĂ€chtig daherâ, berichtete der Verteidigungsexperte von seinen Reisen in verschiedene Konfliktregionen. Deutschland habe oft mehr Möglichkeiten als die ehemaligen KoloniallĂ€nder oder die USA und Russland.
âGegen Resignation und Zynismus mit Leidenschaft und Geduld AuĂenpolitik betreibenâ, darum gehe es, sagte Wolfgang Thierse und berief sich auf Willy Brandt und Frank-Walter Steinmeier. Das Ende der Zweiteilung der Welt, habe dazu gefĂŒhrt, dass viele Instrumente nicht mehr zur RealitĂ€t passen. âChristliche Friedensethik muss das reflektierenâ, so Thierse, der zusammen mit Kerstin Griese Sprecher vom Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD ist. âWas darf den Vorrang von Menschenrechten relativieren?â, fragt Thierse und wies darauf hin: âWandel durch AnnĂ€herung war keine Politik menschenrechtlichen Fundamentalismus.â Religion dĂŒrfe nicht mit ihrer Ideologisierung verwechselt werden. âWenn Religion ein Teil des Problems ist, dann muss sie auch Teil der Lösung seinâ, betonte er zum Abschluss der Tagung âFriedensethische GrundsĂ€tze und politische Verantwortung im 21. Jahrhundertâ.