Reformation heißt, die Welt zu hinterfragen

„Ob Luther twittern wĂŒrde?“, fragte Kerstin Griese auf der Jahrestagung des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD (AKC) und der SPD-Bundestagsfraktion. „Ich fĂŒrchte ja“, sagte Reformationsbotschafterin Margot KĂ€ĂŸmann, „aber er wĂ€re lernfĂ€hig gewesen“.

Margot KĂ€ĂŸmann ist Reformationsbotschafterin der EKD.

Viel Publikum bei der SPD-Reformationstagung im ReichstagsgebÀude.

Christoph Matschie und Kerstin Griese.

„In Fragen des Glaubens und des Gewissens ist jeder Mensch frei“, zitierte KĂ€ĂŸmann Martin Luther. Er habe den Weg zum solidarischen Staat, zur Teilhabe und zur Demokratie vorgezeichnet. „Jeder der getauft ist, ist Priester, Bischof oder Papst.“ Ihr Ziel sei keine Einheitskirche“, sagte Margot KĂ€ĂŸmann auf Kerstin Grieses Frage nach dem Stellenwert der Ökumene. Allerdings gebe es das frĂŒhere Gegeneinander glĂŒcklicherweise nicht mehr.

„Christsein ist keine Sofareligion“, betonte der ehemalige thĂŒringische Kultusminister Christoph Matschie. Frömmigkeit allein helfe nicht weiter, sondern man mĂŒsse aktiv werden. „Ich kann mir kein Christsein vorstellen, das nicht auf andere bezogen ist.“ Kerstin Griese, Kirchenbeauftragte der SPD-Fraktion, fragte Matschie: „Wie behĂ€lt man im Wahlkampfstrudel den inneren Kompass?“ Inhaltlich dĂŒrfe man zuspitzen, aber nicht den persönlichen Angriff, ist Christoph Matschie ĂŒberzeugt.

„Leser mögen Konflikte“, meinte der Journalist Matthias Drobinski in der von Griese moderierten Diskussionsrunde. Faktenfreie Meinungen wĂŒrden aber nicht akzeptiert. Ein guter Teil seiner Arbeit bestehe mittlerweile darin, den Lesern zurĂŒckzuschreiben. „Ist das Internet so etwas wie die LutherĂŒbersetzung, also mehr Transparenz?“, fragt Kerstin Griese. TatsĂ€chlich hĂ€tten sich vor 500 Jahren die Kommunikationstechniken verĂ€ndert, so Drobinski. „In Teilen passieren Ă€hnliche Dinge heute. In 10, 15 Jahre werden wir im Netz erscheinen. Das ist mehr als die technische Änderung.“

Wolfgang Thierse, er ist gemeinsam mit Kerstin Griese Sprecher des AKC, forderte mehr Einsatz fĂŒr die Verteidigung der Demokratie und der Freiheit. „Christen dĂŒrfen der Auseinandersetzung nicht aus dem Weg gehen, der Auseinandersetzung mit Pegida und Co und der AfD. Manchmal geht es nicht anders als Ross und Reiter zu nennen“, appellierte Thierse an die Kirchen. „Wenn Religion Teil des Problems einer konfliktreichen Welt ist, dann muss sie auch Teil der Lösung sein. Die Reformationsgeschichte ist lehrreich als Geschichte der MĂ€ĂŸigung und des langsamen Erwerbs von Toleranz.“