Predigt in Rüdinghausen: Bäume – Mensch und Natur

Herzlichen Dank für die Einladung, heute in Ihrer Kirchengemeinde im Rahmen Ihrer Predigtreihe zum Thema „Bäume, Mensch und Natur“ von dieser Kanzel sprechen zu dürfen. Das ist für Politikerinnen immer eine schwierige Herausforderung.

Predigt in der evangelischen Gemeinde Witten-Rüdinghausen.

Auch wenn wir dauernd Reden halten und viel mit Menschen sprechen, ist eine Predigt doch etwas besonderes. Mir macht es durchaus Freude, mich einmal grundsätzlicher und ganz anders als für eine Rede im Bundestag oder auf dem Parteitag einem Thema zu nähern.

Aus Ihren Vorschlägen, lieber Pfarrer Griese (wir sind übrigens nicht verwandt und haben uns erst heute kennen gelernt, aber der gleiche Nachname hat mich motiviert, für heute zuzusagen), habe ich den Psalm 1 ausgesucht. Der ist ein ganz grundsätzlicher, sozusagen der Einstieg in die Psalmen der Bibel. Er beschreibt, wie Menschen „glücklich“ leben können, so heißt es in der modernen Übersetzung, die wir heute im Wechsel gelesen haben. In der Lutherbibel wird dieser Glückliche beschrieben, als derjenige, der „Lust (hat) am Gesetz des Herrn und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht“. Es geht also darum, einen guten Weg leben zu können, dem Wort Gottes zu folgen und dadurch ein gelingendes Leben zu haben. Der Psalm grenzt das von dem schlechten Weg, dem Weg der Sünder und Frevler ab. Sie seien wie die Spreu, die vom Wind weggefegt wird.

Für den glücklichen, den guten Weg steht das schöne Bild des Baumes. Der Glückliche ist wie ein Baum, gepflanzt am Wasser, Früchte tragend und seine Blätter welken nicht, so heißt es. Das ist ein wunderschönes Bild, und wer von uns strebt nicht nach solch einem glücklichen Leben. Vielleicht können wir alle einmal gemeinsam darüber nachdenken, was diese Bilder in unserem Leben heißen.
Gepflanzt am Wasser, also fest verwurzelt in der Erde, d.h. für mich, feste Werte zu haben und danach zu leben, das heißt auch, verwurzelt bei den Menschen in meiner Familie und bei meinen Freundinnen und Freunden, in meiner Heimat, im Rheinland. Früchte tragend, das heißt für mich, dass es besonders Freude macht, wenn die Arbeit und das Engagement, das man leistet, tatsächlich etwas verbessert: das Leben der Menschen, den Schutz der Natur, mehr Gerechtigkeit. Und seine Blätter welken nicht, das ist natürlich ein besonders schöner Wunsch. Im Jahreskreislauf gehört es aber dazu, dass die Blätter welken und wieder neu wachsen. Vielleicht heißt es hier, dass die Kraft und die Energie bleiben, das wäre schön. Alles, was er tut, gelingt ihm gut, heißt es weiter. Ja, wenn das nicht eine großartige Perspektive für eine Politikerin wäre.

Aber so einfach ist es nicht. Und mir ist eines ganz wichtig: in der Bibel steht nicht, wie Politiker und Politikerinnen im Bundestag abstimmen sollen. Da steht nicht, wie hoch der Einkommenssteuersatz sein soll, wann welche Heizungen eingebaut werden sollen oder wie die Kindergrundsicherung genau ausgestaltet sein soll.

Aber in unserem Glauben geht es sehr wohl um grundsätzliche Fragen und Ziele. Für mich ist mein christlicher Glaube wie ein Kompass. Ein Kompass heißt, dass ich ihn selber aktiv in die Hand nehmen und orten muss, in die richtige Richtung. Ein Kompass ist eben nicht wie ein Navi im Auto, der einem sagt, ob man rechts oder links abbiegen soll. Ein Kompass heißt, dass ich mich sehr wohl an grundlegenden Werte des christlichen Glaubens orientiere, an dem Streben nach Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Aber ich muss mich eben selbst immer wieder darauf einlassen und befragen und meine Entscheidungen selbst verantworten.

Was hätte Jesus dazu gesagt? Das frage ich mich oft. Dieser radikale Pazifist, dieser Menschenfischer und Weltretter? In heutigen Zeiten
– wo wir Waffen an die Ukraine liefern müssen, um den Menschen beim Überleben zu helfen,wo wir durch unser eigenes Verhalten unsere Umwelt schon so weit zerstört haben, dass wir jetzt radikal umsteuern müssen, um sie für künftige Generationen zu retten,
– wo eine Partei im Bundestag sitzt und leider immer stärker wird, die Menschen erniedrigt, beleidigt, ausgrenzt und Hass schürt?

Was bedeutet es in dieser Zeit, wenn man sich auf christlichen Grundwerten basierend politisch engagiert? Für mich ist es besonders das Engagement für soziale Gerechtigkeit, für gute Chancen für alle Menschen, egal, ob arm oder reich, egal ob hier geboren oder zu uns gekommen, egal ob mit oder ohne Behinderungen, das mich bewegt und für das ich mich in meiner politischen Aufgabe besonders engagieren darf. Das macht mich übrigens glücklich, wenn es Frucht bringt und gute Gesetze eine Mehrheit finden, die das Leben der Menschen verbessern. Gerade letzte Woche war es besonders ein Gesetz für mehr Inklusion am Arbeitsmarkt, denn es war bis Freitagmittag spannend, ob es auch eine Mehrheit im Bundesrat findet. Freitagmittag war ich glücklich, dass das geklappt hat und jetzt hoffentlich mehr Menschen mit Behinderung einen guten Arbeitsplatz finden.

Heute soll es aber um die Bäume gehen. Und damit um ein ganz wichtiges Thema unserer Zeit: wie bekämpfen wir den Klimawandel? Was tun wir, damit unsere Schöpfung erhalten bleibt? Was tun wir, um mit dem Psalm 1 zu sprechen, damit alles, was wir tun, gut gelingt.

Die Konfirmandinnen haben zu Beginn des Gottesdienstes die Fragen gestellt, die nicht nur die junge Generation bewegen. Die Erderwärmung, die gestiegenen CO2-Emissionen, die Regenfluten und Wetterkatastrophen, das alles macht uns Angst. Das alles zeigt, dass die Generationen vor uns und auch wir zu sorglos mit der Erde und mit unseren natürlichen Ressourcen umgegangen sind. Es ist jetzt ganz dringend an der Zeit, dass wir umsteuern. Und das tun wir mit weitreichenden Entscheidungen, die aber immer wieder kontrovers diskutiert werden.

Besonders gut gefallen hat mir die Frage der Konfirmandin, warum der Bundeskanzler nicht einfach „Stopp“ sagen kann, damit alle aufhören mit dem Klimawandel. Das würde Olaf Scholz wahrscheinlich gerne tun, aber er ist Demokrat und demokratisch gewählt, deshalb muss und will er um Mehrheiten für seine politischen Ziele werben. Dazu gehört erst einmal ganz viel zu informieren. Wie rasant sich der Klimawandel entwickelt hat, wie viel erneuerbare Energien wir wann brauchen, damit wir aus den fossilen Energien aussteigen können, was das kostet und und und. Das sind nicht immer einfache Debatten, denn unsere Städte und auch unser Lebenswandel müssen sich verändern. Es geht sowohl um strukturelle Veränderungen, aber auch um den Alltag von jedem von uns. Wir werden mehr Windräder aufstellen, wir werden sparsamere und andere Autos fahren und weniger fliegen, wir werden CO2-freien Stahl produzieren – unsere gesamte Industrie arbeitet gerade daran, wie in Zukunft anders produziert wird, wir werden uns auch anders ernähren und anders Urlaub machen, wenn wir klimaneutral werden wollen. Und damit will ich niemandem Vorschriften für sein Frühstück machen, sondern den Ernst der Lage aufzeigen.

Gottes Schöpfung ist uns Menschen anvertraut, wir wollen und müssen sie bewahren. Aber wenn wir uns alleine ansehen, wie sich die Artenvielfalt verringert hat, merken wir, dass das menschliche Leben auf der Erde für Tiere und Pflanzen oft nicht gut ausgegangen ist. Wir spüren das: immer mehr Pflanzenarten gehen immer schneller verloren. Diese ökologische Doppelkrise aus Erhitzung und Artensterben gefährdet unsere Lebensgrundlage.

Als die Synode der EKD im letzten November empfohlen hat, als eine Art Selbstverpflichtung bei Autofahrten im kirchlichen Kontext ein Tempolimit von 100 km/h einzuhalten, waren die Reaktionen in den Medien heftig. Und auch ich habe als Mitglied des Rates der EKD einige Beschimpfungen in der Post gehabt, was wir uns denn dabei dächten. Aber es sind auch einige Menschen aufgewacht und haben nachgedacht, dass jetzt radikale Schritte notwendig sind. Wir Menschen im reichen Norden und Westen der Erde können nämlich deutlich mehr dazu beitragen, Energie zu sparen, als die ärmeren aus dem globalen Süden. Unser ökologischer Fußabdruck ist weitaus größer als der der Menschen z. B. in Afrika.

Für uns Christinnen und Christen ist die Bewahrung der Schöpfung die starke Motivation, um uns für notwendige Maßnahmen zum Schutz unserer Erde einzusetzen. Wichtig ist mir, dass wir das so machen, dass es sozial gerecht zugeht und Menschen nicht alleine gelassen werden.
Wir wollen in Deutschland bis 2045 klimaneutral sein. Das kann nur gelingen, wenn wir in allen Bereichen dieses Ziel haben. Und damit schließt sich wieder der Kreis zu den Bäumen und zum Wald. Denn Bäume und Pflanzen sind ein Garant für gutes Klima. Sie werfen Schatten mit ihrem Laub, sie tragen Früchte, sie wandeln CO2 in Sauerstoff um und sichern damit unsere Luft. Ganz konkret, hat die Europäische Union in ihrer „EU- Waldstrategie“ beschlossen, drei Milliarden Bäume mehr bis 2030 zu pflanzen. Das ist ein Schritt dazu, unsere Natur, unsere Wälder, Flüsse und Seen zu schützen. Denn wenn wir unsere Natur nicht schützen, werden wir selbst schutzlos sein.

Die Kirchen haben in vielen klugen Worten immer wieder auf die Verantwortung für die Schöpfung hingewiesen. Schon 1985 – vor 38 Jahren – haben evangelische und katholische Kirche in Deutschland in einer gemeinsamen Erklärung unter dem Titel „Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung“ gesagt: „Wir müssen einsehen lernen, dass hinter der Umweltkrise letztlich unsere eigene Krise und unsere Unfähigkeit steht, in rechter Weise Verantwortung zu übernehmen.“

Ich weiß, viele, gerade aus der jüngeren Generation denken, man könnte verzweifeln. Und jetzt kommt wieder Jesus ins Spiel. Der auch manchmal verzweifelt war, aber nie aufgegeben hat. Weil er eines wusste: dass Gott nicht aufgibt. Dass Gott uns Menschen nicht aufgibt. Das möge uns Zuversicht und Kraft geben und diese Zuversicht möge uns leiten.

Und der Friede Gottes der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.