Kerstin Griese hatte zur Tagung âGeschichte und Erinnerungskulturâ eingeladen, zu der 40 Fachleute und geschichtsinteressierte BĂŒrgerinnen und BĂŒrger aus Ratingen und der niederbergischen Region nach Berlin gereist waren. In einer Diskussionsrunde im Bundestag erinnerte Professor Andreas Nachama an die AnfĂ€nge der von ihm geleiteten âTopographie des Terrorsâ.
Diese Ausstellung sei auf dem GelĂ€nde des ehemaligen Reichsicherheitshauptamtes errichtet worden, wo die Vernichtung der europĂ€ischen Juden organisiert wurde, und sei ein âOrt der TĂ€terâ, so Nachama. âWas passiert in einem Land, in dem nicht alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind?â, lautet die Frage, mit der man auch Besucherinnen und Besuchern begegnet, die Vorurteile haben.Andreas Parak vom Verein âGegen Vergessen â fĂŒr Demokratieâ betonte, dass Minderheitenrechte Teil der Demokratie seien. Das könne man auch durch die BeschĂ€ftigung mit der Geschichte fĂŒr heute lernen.
Die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese, die selbst Historikerin ist, zeigte sich von den jĂŒngsten Wahlergebnissen der AfD betroffen. Sie plĂ€dierte fĂŒr eine aktivere Einbeziehung junger Menschen, auch derer mit Mitgrationshintergrund, in die Erinnerungsarbeit. âWenn junge Menschen ĂŒber die Geschichte selbst etwas erarbeiten, immunisiert einen das fĂŒrs ganze Leben, ein Nazi zu werden oder Nazis zu wĂ€hlenâ, so Griese.
âWir mĂŒssen nach drauĂen gehen, da kommen Leute vorbeiâ, plĂ€dierte Ratingens Stadtarchivleiterin Erika MĂŒnster-Schröer dafĂŒr, dass das Gedenken nicht nur in Museen stattfindet. Eine Möglichkeit seien Erinnerungstage, die eine gröĂere Ăffentlichkeit ansprechen. âDie BĂŒrger, die da hingehen, sind sehr betroffenâ, beobachtet MĂŒnster-Schröer. Von offizieller Seite aus werde Gedenken manchmal mit zu viel Routine abgewickelt. âDas wĂŒrdevolle Ritual ist auch wichtigâ, ergĂ€nzte die Ratingerin Andrea Dittchen, die in der Mahn- und GedenkstĂ€tte DĂŒsseldorf arbeitet. âEs darf aber kein totes Gedenken sein.â
Carmen Tiemann, Leiterin der Gesamtschule Heiligenhaus, und Rolf Praast, der ehrenamtlich im Stadtarchiv arbeitet, berichteten von einem Projekt, das vor einigen Jahren SchĂŒlerinnen und SchĂŒler mit Zeitzeugen zusammengebracht hatte. Das sei sehr erfolgreich gewesen. Auch Kreisarchivar Joachim Schulz-Hönerlage möchte Schulen mit einbinden, wenn demnĂ€chst ein Gedenkort im Neandertal geschaffen wird. Denn es gebe noch zu viele Bevölkerungsgruppen, die man beim Gedenken an die Schrecken der Vergangenheit nicht erreiche.
Kerstin Griese findet es wichtig, âam historischen Ortâ die Geschichte zu verdeutlichen. Sie nutzte die Gelegenheit, bei einer ausfĂŒhrlichen FĂŒhrung durch das ReichstagsgebĂ€ude zu erlĂ€utern, wie die Nazis die Demokratie zerstörten. Auch in der historischen âNeuen Synagogeâ und in der Ausstellung âTopographie des Terrorsâ konnte die Gruppe erfahren, wie Geschichte vermittelt werden kann. âIch kann fĂŒr mich einige Verbindungslinien ziehenâ, sagte Frank Overhoff, der in Velbert die Geschichte der dort lebenden Juden erforscht.
Die WĂŒlfrather Ratsfrau Bettina Molitor freute sich, dass so viele Fachleute aus Museen, Archiven, Heimatvereinen und Schulen mit nach Berlin gekommen sind. âEs gab sehr viel Austausch auf kommunaler Ebeneâ, bedankte sie sich bei Kerstin Griese fĂŒr die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen. âDie Auseinandersetzung mit der Geschichte lĂ€sst die Gegenwart viel klarer sehenâ, so Molitor.