Parak, Griese, Nachama

Geschichte und Erinnerungskultur in Berlin

Kerstin Griese hatte zur Tagung „Geschichte und Erinnerungskultur“ eingeladen, zu der 40 Fachleute und geschichtsinteressierte BĂŒrgerinnen und BĂŒrger aus Ratingen und der niederbergischen Region nach Berlin gereist waren. In einer Diskussionsrunde im Bundestag erinnerte Professor Andreas Nachama an die AnfĂ€nge der von ihm geleiteten „Topographie des Terrors“.

Andreas Nachama

Rabbiner Andreas Nachama ist Direktor der Stiftung „Topographie des Terrors“.

Michael Parak

Michael Parak, GeschĂ€ftsfĂŒhrer des Vereins „Gegen Vergessen – fĂŒr Demokratie“.

40 Geschichtsfachleute aus Niederberg und Ratingen

40 Geschichtsfachleute aus Niederberg und Ratingen. (Foto: Bundestag/Atelier Schneider)

Kerstin Griese zeigt ihren GÀsten das historische ReichstagsgebÀude

Kerstin Griese zeigt ihren GÀsten das historische ReichstagsgebÀude.

Installation „Archiv der Deutschen Abgeordneten“

Installation „Archiv der Deutschen Abgeordneten“.

Kerstin Griese erlÀutert die historischen Folgen des Reichstagsbrandes 1933.

Diese Ausstellung sei auf dem GelĂ€nde des ehemaligen Reichsicherheitshauptamtes errichtet worden, wo die Vernichtung der europĂ€ischen Juden organisiert wurde, und sei ein „Ort der TĂ€ter“, so Nachama. „Was passiert in einem Land, in dem nicht alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind?“, lautet die Frage, mit der man auch Besucherinnen und Besuchern begegnet, die Vorurteile haben.

Andreas Parak vom Verein „Gegen Vergessen – fĂŒr Demokratie“ betonte, dass Minderheitenrechte Teil der Demokratie seien. Das könne man auch durch die BeschĂ€ftigung mit der Geschichte fĂŒr heute lernen.

Die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese, die selbst Historikerin ist, zeigte sich von den jĂŒngsten Wahlergebnissen der AfD betroffen. Sie plĂ€dierte fĂŒr eine aktivere Einbeziehung junger Menschen, auch derer mit Mitgrationshintergrund, in die Erinnerungsarbeit. „Wenn junge Menschen ĂŒber die Geschichte selbst etwas erarbeiten, immunisiert einen das fĂŒrs ganze Leben, ein Nazi zu werden oder Nazis zu wĂ€hlen“, so Griese.

„Wir mĂŒssen nach draußen gehen, da kommen Leute vorbei“, plĂ€dierte Ratingens Stadtarchivleiterin Erika MĂŒnster-Schröer dafĂŒr, dass das Gedenken nicht nur in Museen stattfindet. Eine Möglichkeit seien Erinnerungstage, die eine grĂ¶ĂŸere Öffentlichkeit ansprechen. „Die BĂŒrger, die da hingehen, sind sehr betroffen“, beobachtet MĂŒnster-Schröer. Von offizieller Seite aus werde Gedenken manchmal mit zu viel Routine abgewickelt. „Das wĂŒrdevolle Ritual ist auch wichtig“, ergĂ€nzte die Ratingerin Andrea Dittchen, die in der Mahn- und GedenkstĂ€tte DĂŒsseldorf arbeitet. „Es darf aber kein totes Gedenken sein.“

Carmen Tiemann, Leiterin der Gesamtschule Heiligenhaus, und Rolf Praast, der ehrenamtlich im Stadtarchiv arbeitet, berichteten von einem Projekt, das vor einigen Jahren SchĂŒlerinnen und SchĂŒler mit Zeitzeugen zusammengebracht hatte. Das sei sehr erfolgreich gewesen. Auch Kreisarchivar Joachim Schulz-Hönerlage möchte Schulen mit einbinden, wenn demnĂ€chst ein Gedenkort im Neandertal geschaffen wird. Denn es gebe noch zu viele Bevölkerungsgruppen, die man beim Gedenken an die Schrecken der Vergangenheit nicht erreiche.

Kerstin Griese findet es wichtig, „am historischen Ort“ die Geschichte zu verdeutlichen. Sie nutzte die Gelegenheit, bei einer ausfĂŒhrlichen FĂŒhrung durch das ReichstagsgebĂ€ude zu erlĂ€utern, wie die Nazis die Demokratie zerstörten. Auch in der historischen „Neuen Synagoge“ und in der Ausstellung „Topographie des Terrors“ konnte die Gruppe erfahren, wie Geschichte vermittelt werden kann. „Ich kann fĂŒr mich einige Verbindungslinien ziehen“, sagte Frank Overhoff, der in Velbert die Geschichte der dort lebenden Juden erforscht.

Die WĂŒlfrather Ratsfrau Bettina Molitor freute sich, dass so viele Fachleute aus Museen, Archiven, Heimatvereinen und Schulen mit nach Berlin gekommen sind. „Es gab sehr viel Austausch auf kommunaler Ebene“, bedankte sie sich bei Kerstin Griese fĂŒr die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen. „Die Auseinandersetzung mit der Geschichte lĂ€sst die Gegenwart viel klarer sehen“, so Molitor.