Bundestag berät das Ghettorentengesetz

„Wir haben das Ghettorentengesetz 2002 mit der Intention beschlossen, den Menschen, die dort unter schlimmen Umständen arbeiten mussten, ein kleines Stück Gerechtigkeit – wenn man überhaupt davon sprechen kann – widerfährt“, sagte Kerstin Griese in einer Bundestagsdebatte. Doch rund 90 Prozent aller Anträge, die die Holocaust-Überlebenden einreichten wurden von den Rentenversicherungsträgern abgelehnt. „Die Betroffenen haben das als einen Schlag ins Gesicht empfunden.“

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Diese massenhafte Ablehnungspraxis habe dazu geführt, dass das Bundessozialgericht 2009 die strikte Auslegung des Gesetzes revidiert hat und danach etwa 50 Prozent der zuvor abgelehnten Fälle anerkannt wurden, erläuterte Griese. Allerdings habe diese Rentenzahlung nur für vier Jahre rückwirkend gegolten, „erst ab 2005 und nicht ab 1997, wie es der Gesetzgeber wollte“, sagte die SPD-Abgeordnete.

„Für die jüdischen Frauen und Männer, die in Ghettos unter der Herrschaft der Nationalsozialisten leben mussten, war Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendig, überlebensnotwendig“. Sie haben arbeiten gemusst, um zu überleben, sagte Kerstin Griese. „Wer arbeitete, bekam Essen, wer arbeitete, wurde nicht so schnell in ein KZ weitergeschickt.“

Weiter sagte Griese: „Dass für die Arbeit der in Ghettos lebenden Juden tatsächlich damals Rentenbeiträge abgeführt wurden, zeigt wie erschreckend technokratisch und zugleich zutiefst unmenschlich das System des NS-Regimes agierte.“ Es sei ja gar nicht vorgesehen gewesen, den in Ghettos Beschäftigen für ihre gezahlten Sozialabgaben tatsächlich später Renten zu zahlen. „Schließlich war die totale Ermordung aller Juden geplant. Ich habe viel mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen gesprochen und ich war oft in Israel. Ich weiß, dass die hohen Ablehnungszahlen der Anträge auf Renten für in Ghettos geleistete Arbeit dort sehr wahrgenommen wurden. Deshalb ist es gut, dass es mit der jetzt vorgelegten Änderung die Vierjahresfrist ausgeschlossen wird und alle Antragsteller ihre Rente rückwirkend ab 1997 bekommen werden“, so Kerstin Griese.