Buchvorstellung: Vater, Mutter, Stasi

„Mich hat das Buch sehr bewegt“, sagte Kerstin Griese bei der Vorstellung des Buches „Vater, Mutter, Stasi“ von Angela Marquardt. Auf einer Veranstaltung des Netzwerks Berlin sprach Griese mit Roland Jahn, dem Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, und Marquardt über deren Lebensgeschichte.

Der Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Roland Jahn, Kerstin Griese MdB und Angela Marquardt.

Der Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Roland Jahn, Kerstin Griese MdB und Angela Marquardt.

Angela Marquardt, ehemalige PDS-Bundestagsabgeordnete und heutige Sozialdemokratin, schildert in ihrem Buch, wie sie als Kind beziehungsweise Jugendliche in das Visier der Stasi geraten ist. „Als ich neun Jahre alt war, sind sie in mein Leben getreten“, erzählte Marquardt. „Es waren Freunde meiner Eltern. Was sie arbeiten, war mir nicht bekannt“, schilderte sie das „familiäre“ Umfeld, in dem sie an die Stasi herangeführt wurde. Mit 15 hat sie eine Verpflichtungserklärung unterschrieben.

„IM ist nicht gleich IM“, führte Roland Jahn aus. „Die Akten sind beschriebenes Papier aus Sicht der Stasi. Es geht um Menschen und Schicksale.“

Etwa 1300 Kinder und Jugendliche seien von der Stasi missbraucht worden, unterstrich Kerstin Griese, der die „Kälte der technokratischen Sprache“ des DDR-Geheimdienstes aufgefallen ist, bei der „der einzelne Mensch gar nicht zählt“.

Bis 1995 war der Lebenslauf von Marquardt durch die Stasi durchgeplant, die ein Theologiestudium hätte absolvieren sollen. „Die Stasi brauchte Leute, die in der evangelischen Kirche spitzeln“, sagte Kerstin Griese.

„Mich musste niemand unter Druck setzten“, räumte Angela Marquardt ein. „Die Stasi war sich meiner recht sicher.“ „Die haben dich benutzt und ausgenutzt“, antwortete Kerstin Griese. Sie bezeichnete Marquardts Buch als sehr mutig. „Wenn man das Buch liest, merkt man, wie schwierig es war, dies niederzuschreiben.“

„Ich habe so viel über die DDR gelernt, weil ich in der PDS war. Man hat immer sehr viele individuelle Geschichten erfahren“, sagte Marquardt zu ihrem Engagement in den neunziger Jahren. Gleichzeitig stellte sie klar: „Ich bin der Überzeugung, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Diese Formulierung heißt nicht, dass alle Menschen im Unrecht lebten.“ Roland Jahn forderte: „Klar und deutlich benennen, dass es ein Unrechtsstaat war, aber Respekt vor der Biographie des Einzelnen.“