Kerstin Griese, Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, sprach im Interview mit der in Düsseldorf erscheinenden Westdeutschen Zeitung über Rente, Mindestlohn und die Stimmung in Berlin.
» Westdeutsche Zeitung: Rente mit 63
Frau Griese, hat der Ausschuss eigentlich noch einen Einfluss auf eine Veränderung des Rentenpakets?
Selbstverständlich. Noch ist der Gesetzesentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles zur Rente mit den Schwerpunkten Mütterrente, abschlagsfreie Rente ab 63 für Arbeitnehmer, die 45 Jahre eingezahlt haben und Erwerbsminderungsrente noch gar nicht in den Bundestag eingebracht. Wenn es soweit ist, werden wir natürlich unsere Aufgabe als Parlamentarier wahrnehmen, die für die Gesetzgebung zuständig sind.
Bei der höheren Rente für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, sind die Würfel doch gefallen – ein Vorhaben, das jährlich 6,7 Milliarden Euro kostet, bezahlt aus Rentenbeiträgen.
Die Ausweitung der Mütterrente ist gerecht, aber ich sage Ihnen auch, dass ich es für besser halte, diese Leistung aus Steuermitteln zu finanzieren. Nicht nur Beitragszahler, sondern auch Selbstständige und Beamte sollten das Vorhaben mittragen. Ich werde hier für jeden Euro zusätzlicher Steuerfinanzierung kämpfen.
Thema Mindestlohn: Wird es hier Ausnahmen geben, wie es teilweise vonseiten der Union verlangt wurde? Etwa, dass Rentner keinen Anspruch auf die geplanten 8,50 Euro pro Stunde haben?
Davon halte ich gar nichts. Bei Ehrenamtlern oder Jugendlichen, die eine Ausbildung oder ein Praktikum machen – in Ordnung, das ist keine Erwerbsarbeit. Aber in allen anderen Fällen würden sich solche Ausnahmen verheerend auswirken. Zehn mögliche Jobs würden einfach auf 20 Personen verteilt, die es billiger machen. Ein Stundenlohn unter 8,50 Euro ist einfach nicht anständig. Es geht darum, dass man sich mit Arbeit selbst ernähren kann.
Trügt der Eindruck, dass die SPD trotz ihres schwachen Wahlergebnisses derzeit wesentlich die Weichen in der großen Koalition stellt?
Wir kommen nicht um eine Analyse des schlechten Wahlergebnisses und Schlussfolgerungen daraus herum, das ist wahr. Wahr ist aber auch, dass wir aus den Koalitionsverhandlungen gestärkt heraus rausgegangen sind. Die Regierungsarbeit hat sehr gut angefangen für die SPD. Die Stimmung ist verändert, es gibt Arbeitsfreude und Enthusiasmus. Und ich bin stolz auf unsere Minister. Wir bestimmen die in dieser Legislaturperiode wichtigen Themen wie Sozial- und Energiepolitik.
Wieso hat die Kanzlerin eigentlich diese Felder an die SPD mit Andrea Nahles (Arbeit) und Sigmar Gabriel (Energie) abgegeben?
Ich glaube, manchmal will Frau Merkel einfach nur ihre Ruhe haben. Sie mag die präsidiale Rolle. Übrigens glaube ich auch, dass sie froh ist, dass sie die FDP los ist.
Mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat Ihre Partei auch eine starke Frau. Geht sie doch noch nach Berlin?
Ich finde sie total klasse, und ich glaube, dass sie sehr viele Stimmen für die SPD gewinnen würde. Aber sie wissen ja, dass Hannelore Kraft Berlin ausgeschlossen hat.
Das Interview führten Annette Ludwig, Lothar Leuschen und Peter Kurz.