Vorschläge zur besseren Integration von Flüchtlingen in Arbeit. Ein Beitrag für die Fachpublikation epd sozial.
In diesem Jahr werden 800.000 Flüchtlinge in Deutschland erwartet. In dieser Situation ist es zynisch, mit Taschengeldentzug oder sonstigen „Strafen“ zu drohen, um Flüchtlingszahlen zu reduzieren. Das ist blanker Populismus. Schließlich hat der Bundestag gerade erst das Asylbewerberleistungsgesetz nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes geändert. Vorrangig ist jetzt, die Verfahren zu beschleunigen, damit mehr Menschen schneller Rechtssicherheit haben. Gleichzeitig müssen wir ehrlich schauen, wer warum kommt und welche Möglichkeiten der Einwanderung es jenseits des Asylantrages gibt. Auch die Flucht aus als unerträglich empfundenen Zuständen, aus Perspektivlosigkeit und bitterer Armut ist ein Grund, den wir uns aus dem reichen Deutschland heraus nicht anmaßen sollten, als weniger wichtige Migrationsursache zu diffamieren. Für die Gruppe der Menschen, die vorrangig aus dem Balkan kommen, brauchen wir eine legale Möglichkeit der Einwanderung in Arbeit.
Gleichzeitig müssen wir uns besser um diejenigen kümmern, die schon hier sind. Dabei sind Sprache und Arbeit die beiden wichtigsten Felder für eine gelingende Integration. Die tägliche Erfahrung zeigt, dass Flüchtlinge zur Schule gehen wollen, eine Ausbildung machen und arbeiten wollen, dass sie ihre Kinder in den Kindergarten schicken wollen.
Bei der Integration in Arbeit sind bereits einige wichtige Fortschritte beschlossen worden: Ab drei Monaten Aufenthalt dürfen Flüchtlinge arbeiten, Praktika sind leichter möglich, Unterstützung bei der Berufsausbildung wird ermöglicht. Die Prüfung, ob für ein Stellenangebot ein EU-Bürger zur Verfügung steht, entfällt nach 15 Monaten Aufenthalt des Flüchtlings sowie bei Mangelberufen und Hochqualifizierten. Darüber hinaus brauchen wir jetzt eine große Kraftanstrengung, um mehr Flüchtlinge in Arbeit zu bringen.
Was wir jetzt konkret brauchen:
Deutschkurse. Um arbeiten zu können, müssen Deutschkenntnisse vorhanden sein. Deshalb müssen alle Flüchtlinge von Anfang an Deutsch lernen können. Wir brauchen mehr Mittel (mindestens 400 Millionen Euro), mehr Lehrpersonal sowie eine bessere Koordination von Integrationskursen und Sprachkursen zur Förderung berufsbezogener Deutschkenntnisse.
Arbeitsmigration aus dem Balkan. Wir brauchen einen Weg der Arbeitsmigration nach Deutschland über die schon bestehende Blue Card hinaus, die nur für Hochschulabsolventen ab 46.400 Euro Jahreseinkommen bzw. Hochqualifizierte in Mangelberufen ab 37.752 Euro gilt. Deutschland sollte den Bürgern der westlichen Balkanstaaten, die einen Vollzeit-Arbeitsvertrag mit einem monatlichen Einkommen von mindestens 1.460 Euro vorweisen können, der nach Tarif und branchenüblich bezahlt ist, ein zeitlich begrenztes Arbeitsvisum zusagen. Mit einem solchen Einkommen oberhalb des Mindestlohns wären sie von Sozialleistungen unabhängig. Dabei muss die Möglichkeit des Familiennachzuges geregelt werden.
Statuswechsel. Für diejenigen Flüchtlinge, die schon in Deutschland sind sollte ein Statuswechsel im Land möglich sein. Dafür brauchen wir eine Stichtagsregelung. Wenn ein aussichtloser oder ab- gelehnter Asylbewerber eine Möglichkeit der Arbeitsaufnahme hat, sollte er ohne Rückkehr in das Herkunftsland den Status von der Asylbewerbung zur Arbeitsmigration ändern können.
Jobvermittlung. Die Arbeitsagenturen und Jobcenter vor Ort brauchen mehr Geld und mehr Mitarbeitende, die sowohl in den Flüchtlingsunterkünften direkt erkennen, wer in welchem Beruf arbeiten kann und vermittelbar ist („Talentscouts“), als auch solche, die Flüchtlinge beraten und vermitteln, um im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Dafür sind auch mehr Kapazitäten für Dolmetschen erforderlich. 50 Millionen Euro aus dem „Kriseninterventionsfonds“ der Bundesagentur für Arbeit sind ein erster Schritt. Dabei muss es gelingen, dass Flüchtlinge zunehmend von den Arbeitsagenturen betreut werden und nicht direkt nach dem Bezug von Leistungen für Asylbewerber in Hartz IV fallen. Das heißt, dass sie schneller in Arbeit vermittelt werden sollten.
Wegfall der Vorrangprüfung. Die Vorrangprüfung, bei der die Arbeitsagentur prüft, ob ein Deutscher oder ein anderer EU-Bürger den Job machen könnte, sollte komplett entfallen. In der Praxis würde das die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme beschleunigen.
Bleiberecht bei Ausbildung. Jugendliche müssen ein gesichertes Bleiberecht bis zum Ende ihrer Ausbildung haben, damit sie sich auf einen erfolgreichen Abschluss konzentrieren können und Arbeitgeber ihnen überhaupt einen Ausbildungsplatz anbieten. Bislang wird der Aufenthaltsstatus immer nur ein Jahr verlängert.
aus: epd sozial Nr. 35/2015