Bundestag | Reden

Kerstin Griese: „Jugendliche vor Gewalt schützen“

Bundestagsrede zur abschließenden Lesung des Jugendschutzgesetzes

Die Rede wurde zu Protokoll gegeben.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

diejenigen von Ihnen, die heute diesem Gesetz zustimmen, können Teil haben an einem Erfolg: Das neue Jugendschutzgesetz gibt die richtigen Antworten auf die technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich im Bereich der Medien und des Jugendmedienschutzes in den Jahren seit 1985 getan haben.

Dabei kann das Jugendschutzgesetz nur ein Beitrag sein, um Kinder und Jugendliche vor Gewalt und Brutalität zu schützen. Wir müssen Kinder und Jugendliche schützen. Und wir müssen sie stärken. Stark machen gegen Gewalt, stark und kompetent machen im Umgang mit neuen Medien.

Eine zweite wichtige Säule, neben dem Jugendschutz, ist die Medienerziehung, die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Die Bundesregierung hat Stärkung der Medienkompetenz bereits zum Schwerpunkt ihrer medienpolitischen Arbeit gemacht. Dazu gehören unsere Initiative „Schulen ans Netz“, die Projekte „Kulturelle Bildung im Medienzeitalter, „Mediageneration – Kompetent in die Medienzukunft“, das Programm „Internet für alle“ oder auch das Bund-Länder-Programm „Innovative Fortbildung an beruflichen Schulen“.

Natürlich müssen auch Eltern und Lehrkräfte ihre Medienkompetenz weiterentwickeln. Dafür geben wir bessere Möglichkeiten. Mit der Reform der Bundeszentrale für politische Bildung im Jahr 2000 beispielsweise wurde ein eigener Fachbereich Multimedia mit einer Koordinierungsstelle Medienpädagogik gegründet.

Wichtig bleibt auch weiterhin, dass internationale Verpflichtungen dazu beitragen müssen, einen wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutz rechtlich und technisch auch bei Anbietern von Netzinhalten zu verwirklichen. Wir setzen uns deshalb für die Schaffung europa- und weltweiter Mindeststandards des Kinder- und Jugendmedienschutzes ein und wollen den Unesco-Gipfel zur Informationsgesellschaft 2004 zu nutzen, um auf internationaler Ebene nach Lösungen zu suchen, die Rassismus und Gewaltverherrlichung im Internet verhindern.

Auch die EU-Kommission fordert zu Recht eine konzertierte Aktion und eine bessere Zusammenarbeit von Industrie und Internetanbietern. Ausdrücklich widersprechen möchte ich dem baden-württembergischen Europaminister Christoph Palmer, der, wie ich in einer Pressemitteilung über die Europawoche in Stuttgart gelesen habe, meint, nationaler Jugendschutz sei nicht möglich. Doch, mit unserem Gesetz und mit dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, den die Länder alsbald verabschieden werden, ist es möglich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die öffentliche Anhörung hat gezeigt, dass unser Gesetz von den Experten sehr positiv aufgenommen wird. Alle Sachverständigen waren der Auffassung, dass das neue Jugendschutzgesetz verabschiedet werden kann, soll und muss. In der Anhörung wurde auch die große Bedeutung von Medienkompetenz betont.

Die wichtigsten Punkte unseres Jugendschutzgesetzes sind: Im Bereich des Jugendmedienschutzes ist eine wesentliche Neuerung unseres Gesetzes, dass auf allen Bildträgern, die mit Filmen oder Spielen programmiert sind, eine Alterskennzeichnung angebracht werden muss. Eltern, Schulen und Jugendeinrichtungen wird so die Auswahl altersgerechter Medien erleichtert. Diese Pflicht zur Alterskennzeichnung entspricht auch der langjährigen Forderung der obersten Landesjugendbehörden und aller Bundesländer. Die alte Bundesregierung hat dies immer abgelehnt.

Die Arbeit und Erfahrung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, wie sie neu benannt wird, ist von großer Bedeutung für den Jugendmedienschutz. Die Administration der Bundesprüfstelle wird gestrafft. So kann das Indizierungsverfahrens beschleunigt betrieben, Angebote im Internet können unmittelbar beanstandet werden. Wichtig ist zudem, dass mit dem neuen Gesetz auch Verbände, die im Kinder- und Jugendbereich tätig sind, antragsbefugt sind. Außerdem kann die Bundesprüfstelle jetzt auch ohne Antrag gegen jugendgefährdende Angebote vorgehen.

Wir haben den Katalog der schwer jugendgefährdenden Trägermedien um Gewaltdarstellungen und Darstellungen die die Menschenwürde verletzen und den Krieg verherrlichen erweitert. Damit unterliegen diese Trägermedien umfassenden Abgabe-, Vertriebs- und Werbeverboten.

Das neue geschaffene Abgabeverbot von Tabak und Zigaretten an Jugendliche unter 16 Jahren war längst fällig. Die rot-grüne Regierung hat sich nicht gescheut, hier auch einen Konflikt mit der Wirtschaft einzugehen, zum Schutz der Kinder und Jugendlichen. Mit dem neuen Abgabeverbot bieten wir einen vernünftigen Gesundheitsschutz und Jugendschutz.

Auch bei der Kinowerbung für Alkohol und Zigaretten haben wir den Jugendschutz verbessert: Diese Werbung darf nicht vor 18 Uhr gezeigt werden. Damit vereinheitlichen wir den Jugendschutz.

In dem Antrag der CUD/CSU-Fraktion finden wir letztendlich nichts anderes als die Forderung nach Verboten, Verboten, Verboten. Ist das Jugendschutz?

Der Entschließungsantrag von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen zeigt deutlich, welche Bedeutung wir dem Jugendschutz geben: Jugendschutz gewährleistet das Recht junger Menschen auf Schutz und Integrität ihrer Persönlichkeit und gewährleistet gleichzeitig ihre Integration in die und Teilhabe an der Gesellschaft. Wir fördern die Kreativität und Kompetenz von Kindern und Jugendlichen. Dieses Verständnis eines optimalen Jugendschutzes finden Sie in unserem Gesetz.

Im Hinblick auf die Stärkung der Medienkompetenz wäre es auch zu überlegen, wie Kindern und Jugendlichen Zugang zu geeigneten Medien, zum Beispiel in Videotheken, ermöglicht werden könnte. Ebenfalls denke ich, dass wir über die Altersstufen bei der Alterskennzeichnung demnächst noch einmal nachdenken könnten, denn der Sprung von 6 auf 12 Jahre ist recht groß. Das müsste allerdings in allen Medienbereichen gleich geregelt sein.

Eine breite Zustimmung zu dem so bedeutsamen Thema des Schutzes von Kindern und Jugendlichen würde zeigen, dass wir, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, gemeinsam uns um diejenigen sorgen, die die Zukunft für unser Land bedeuten.

Die intensiven Beratungen über das Jugendschutzgesetz haben gezeigt, dass zwischen allen Beteiligten große Übereinstimmungen bestehen, wie wir uns einen modernen, einen effektiven Kinder- und Jugendschutz vorstellen. Deshalb frage ich mich ernsthaft, wieso die Kolleginnen und Kollegen der Oppositionsfraktionen nicht zustimmen könnten. Stimmen sie zu und überlassen sie ein so wichtiges Thema wie den Kinder- und Jugendschutz nicht dem Wahlkampfkalkül von Herrn Stoiber im Bundesrat!

Die FDP-Fraktion hat keinen Änderungsantrag zum Entwurf des Jugendschutzgesetz eingebracht. Ihr Entschließungsantrag, den sie in letzter Minute verfasst haben, spiegelt nur wider, dass sie keinen Jugendschutz verfolgen, sondern wirtschaftsgläubig ihre Lobbygruppen befriedigen möchte. Dazu sage ich: Mit uns nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist reif für ein neues Jugendschutzgesetz, das modern und effektiv ist und Jugendliche schützt und stärkt. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen Kinder und Jugendliche vor Gewalt schützen und sie stark machen im Leben.

Stimmen Sie zu!

Entschließungsantrag zum Jugendschutzgesetz

14.06.02

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