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Was Kinder brauchen

Das Diakonische Werk der EKD setzt sich für höhere Regelsätze für Kinder und Jugendliche beim Sozialgeld ein. Doch Kinder brauchen mehr – eine kinder- und familiengerechte Infrastuktur

von Kerstin Griese

Das Diakonische Werk der EKD hat die Verfassungsbeschwerde gegen die Kinderregelsätze im Sozialgeld unterstützt. Bislang liegt der Regelsatz für Erwachsene in der Grundsicherung für Arbeitssuchende bei 359 Euro für das soziokulturelle Existenzminimum eines Alleinstehenden. Die Kinderregelsätze gehen davon aus, dass Kinder und Jugendliche 60 bis 80Prozent dieses Regelsatzes benötigen – je nach Alter zwischen 215 und 287 Euro. Aber brauchen Kinder und Jugendliche tatsächlich weniger als Erwachsene?

Kinder haben nicht weniger, sondern einen anderen Bedarf

Kinder und Jugendliche haben nicht grundsätzlich weniger Bedarfe als Erwachsene, sondern es entstehen andere Kosten. Kinder und Jugendliche wachsen schnell und brauchen öfter neue Kleidung und neue Schuhe. Schulverpflegung und Lernmittel müssen von den Eltern finanziert werden. Außerschulische Bildungsangebote haben ihren Preis. Im Regelsatz für Kinder und Jugendliche sind solche Kosten überhaupt nicht berücksichtigt. Und anders als im Sozialhilferecht bleibt neben den pauschalen Leistungen des SGB II nur in wenigen Ausnahmefällen Raum, um mit ergänzenden Leistungen individuelle Notlagen aufzufangen.

Dies führt jedoch gerade im Bildungsbereich zu einem fatalen Teufelskreis: Studien belegen, dass Armut der größte Risikofaktor für die Entwicklung eines Kindes und seiner Bildungschancen ist und Bildung ein nachhaltiger Schutz vor Armut sein kann. Aber wie Armut mit Bildung überwinden, wenn der Regelsatz eben diese Bildungskosten ausklammert? Die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zeigt: Es gibt keine sachgerechte Bestimmung des Existenzminimums für Kinder. Kinder und Jugendliche sind aber die Generation mit dem höchsten Armutsrisiko. Rund 1,9 Millionen Kinder und Jugendliche sind auf den Bezug von Sozialgeld im SGB II angewiesen, für 250.000 Kinder erhalten die Eltern aufgrund ihres geringen Einkommens einen Kinderzuschlag. Ihre Situation hat sich in den letzten Jahren verschlechtert.

Nun bewirken höhere Kinderregelsätze steuerrechtlich auch höhere Kinderfreibeträge, von denen nur sehr gut Verdienende profitieren. Damit kein neuer Effekt einer Umverteilung nach oben entsteht, brauchen wir eine andere Systematik: höhere Kinderregelsätze im SGB II müssen einher gehen mit einem Kindergrundfreibetrag, damit steuerzahlende Eltern gleichermaßen unterstützt werden.

Kinderarmut in Deutschland steigt seit Jahren

Die Diakonie setzt sich dafür ein, dass die Kinderregelsätze erhöht werden und der Ausbau einer kinder- und familiengerechten Infrastruktur gefördert wird. Dazu gehören Rechtsansprüche auf kostenfreie Kinderbetreuung, Lernmittelfreiheit und kostenfreie gesunde Mahlzeiten in Kitas und Schulen. Nur so kann Kinder- und Familienarmut nachhaltig entgegengewirkt werden. Dienste und Einrichtungen der Diakonie, insbesondere Kindertageseinrichtungen, haben sich diesem Thema gestellt. Denn hier bietet sich die Chance, frühzeitig und präventiv ausgerichtete Angebote zur Bildung, Förderung und Begleitung von betroffenen Kindern umzusetzen. Wer Kindern eine echte Chance geben will, muss sich für bedarfsgerechte Kinderregelsätze und eine gute Infrastruktur stark machen, damit von Armut bedrohten Kindern Möglichkeiten der Bildung,und Unterstützung geboten werden.

aus dem Diakonie magazin 1/2010, S. 24

Diakonie-Magazin 1/2010

17.2.09

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