Berlin | Reden

„Den Rechtsextremen keinen Fußbreit überlassen“

Kerstin Grieses Rede am 20. September 2006 in der Aktuellen Stunde „Rechtsextremismus wirksam bekämpfen – Konsequenzen aus dem Wahlergebnis der NPD in Mecklenburg-Vorpommern“

Kerstin Griese (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einem Dank an all diejenigen beginnen, die die Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht als ein tagesaktuelles Thema mit Höhen und Tiefen betrachten, sondern die sich seit vielen Jahren gegen rechts engagieren. Ich nehme das für viele von uns in der Politik in Anspruch. Wir wissen, dass der Kampf gegen den Rechtsextremismus und der Kampf für Demokratie und Toleranz Daueraufgaben sind. Wenn man sich die von Herrn Pofalla beschriebenen Angriffe im Wahlkampf sowie die Erlebnisse unseres Fraktionsvorsitzenden Peter Struck in Mecklenburg-Vorpommern vor Augen führt, dann darf man nicht gelassen sein. Dort wurden gewalttätige Angriffe auf unsere Demokratie begangen. Alle, die sich gegen die gewalttätigen Schlägerhorden, die wie die SA auftreten, und sich gegen die NPD und die Neonazis engagieren, bedürfen unser aller Unterstützung.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin dankbar, dass die zivilgesellschaftliche Arbeit, die dort geleistet wird, von einer großen gesellschaftlichen Breite getragen wird. Ich glaube, es ist wichtig, das in der heutigen Debatte zu erwähnen. Das sind Menschen aus allen demokratischen Parteien, aus der katholischen und der evangelischen Kirche, aus jüdischen Gemeinden, aus Bürgerbündnissen, aus Wohlfahrtsverbänden und aus Initiativen vor Ort. Dazu gehört zum Beispiel der Bürgermeister von Pirna, der hautnah am eigenen Leib erlebt, was es heißt, wenn Neonazis die städtische Arbeit bedrohen. Dazu gehören auch Träger von politischer Bildungsarbeit und Jugendarbeit. Diese zivilgesellschaftliche Aufgabe geht uns alle an.

So wichtig ich dieses Programm finde ich habe mich dafür in den letzten Monaten sehr engagiert: Die 19 Millionen Euro des Bundes reichen nicht. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam ihre Anstrengungen verstärken. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es Landstriche, wo die NPD die Einzigen sind, die Nachhilfeunterricht anbieten, die Fußballturniere organisieren, die Stadtteilfeste und Familienpicknicks veranstalten. Das heißt, dass die Zivilgesellschaft in den Kommunen, in den Ländern und im Bund mehr denn je gefragt ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht deshalb neben der sicherheitspolitischen, innenpolitischen Arbeit auch um eine präventive pädagogische Arbeit in den Regionen. Zur Weiterentwicklung der Programme ich bin Ihnen, Herr Staatssekretär Kues, und Ihnen, Frau Ministerin von der Leyen, sehr dankbar für die konstruktiven Gespräche, die wir dazu in den letzten Tagen führen brauchen wir zwei Dinge: Wir brauchen erstens eine kontinuierliche Unterstützung der Menschen, die sich für Demokratie und Toleranz engagieren, und zweitens eine weitere bundesweite Förderung, die langfristig angelegt ist, damit diese Arbeit weiterentwickelt und gedeihen kann.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie sich die Evaluation es gibt schon eine Zwischenevaluation ansehen, sehen Sie, dass in vielen Bereichen die Ziele erreicht worden sind. Dass jetzt 80 Prozent der Projekte von „Entimon“ von lokalen Trägern übernommen werden, zeigt, dass die Projekte gewirkt haben. Sie haben dort besonders gut funktioniert, wo es eine Vernetzung etwa in Form einer sehr kompetenten mobilen Beratung in Schulen und Stadtteilen gegeben hat.

Die Evaluation das sagt auch die Bundesregierung auf ihrer Homepage zeigt: Die Stärkung der Zivilgesellschaft bleibt weiterhin eine wichtige Aufgabe. Deshalb mein Appell: Lassen Sie uns gemeinsam schauen, wie wir diese Arbeit kontinuierlich und langfristig sichern können, wie wir besonders den mobilen Beratungsteams, Opferberatungsstellen und Netzwerkstellen eine langfristige Grundlage geben können!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich hatte in der letzten Woche ein interessantes Erlebnis. Ich war in Dresden, in Sachsen, zur Ordination der ersten Rabbiner in Deutschland seit 1942. Es war ein sehr bewegendes und schönes Ereignis, das zeigt, dass es wieder vielfältiges jüdisches Leben in Deutschland gibt. Dieses Ereignis konnte nur unter starkem Polizeischutz stattfinden. Ich war auch im ein paar hundert Meter entfernt liegenden Dresdner Landtag, in dem mit 9,2 Prozent die NPD sitzt, die dafür sorgt, dass das Gedankengut existiert, aufgrund dessen solche Ereignisse nur unter Polizeischutz stattfinden können.

Weil wir uns koalitionsintern gegenseitig zitieren, will ich dazu Herrn Milbradt, den sächsischen Ministerpräsidenten, zitieren, der zur NPD gesagt hat: Wir dürfen nicht darauf hoffen, dass das nur eine Welle ist, die irgendwann wieder vorbei ist. Diese Einschätzung teile ich. Es geht um ein langfristiges Engagement aller demokratischen Kräfte. Solange solche Festakte wie diese Rabbinerordination nur unter Polizeischutz stattfinden können, müssen wir alle uns gemeinsam gegen diese braunen Horden und dieses Gedankengut stellen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

So wichtig die Jugendarbeit ist wir wollen diese Programme im Bereich der Jugendpolitik weiterführen und verstetigen und wir wollen ausdrücklich auch einen zusätzlichen Fördertopf für die langfristige und kontinuierliche Sicherung der Strukturprogramme , so wichtig ist es, auch immer zu betonen: Es ist kein Jugendproblem alleine. Die Erwachsenen sind Vorbilder. Das, was in den Köpfen der Jugendlichen gedeiht, kommt auch von Erwachsenen. Wir sollten uns das Motto „Ohne Angst verschieden sein zu können“ vor Augen halten. Das muss in die Herzen und Köpfe der jungen Menschen, aber auch der Eltern- und Großelterngeneration. Dazu müssen alle Demokratinnen und Demokraten gemeinsam Position beziehen. Deshalb hoffe ich auf weitere gute Gespräche, um die Arbeit, die vor Ort für Demokratie und Toleranz geleistet wird, sichern zu können. Auch die Bundespolitik muss ein Zeichen setzen, dass wir den Rechtsextremen keinen Fußbreit überlassen.

Vielen Dank.

20.9.06

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