Berlin | Reden

„Vorbehalte gegen die UN-Kinderrechtskonvention zurücknehmen“

Kerstin Grieses Rede am 11. April 2008 in der Debatte über die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen „Kinderrechte in Deutschland vorbehaltlos umsetzen – Erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurücknehmen“ und „Kinderrechte in der Verfassung stärken“

Kerstin Griese (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach § 62 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung habe ich einen Bericht vorgelegt, der zeigt, warum die beiden Anträge, die wir hier behandeln, noch nicht abschließend im federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend behandelt wurden. Ich sage aber ausdrücklich vorweg: Mit beiden Themen, um die es in diesen Anträgen geht, mit der UN-Kinderrechtskonvention und mit den Kinderrechten, beschäftigen sich der Familienausschuss, unser Unterausschuss, die Kinderkommission, und wir Abgeordnete uns nicht zuletzt auch in Diskussionen mit Verbänden. Das Thema ist nicht etwa unterschlagen worden; wir behandeln es ganz intensiv.

Allein, wir konnten innerhalb der Großen Koalition nicht zu einer gemeinsamen Position kommen. Nichtsdestotrotz hat die SPD-Bundestagsfraktion eindeutige Positionen: für die Aufhebung der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention und für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz. Wir kämpfen jetzt um parlamentarische Mehrheiten - so geht das in der Demokratie - für diese Positionen, damit sie zur Gesetzespraxis werden können. Deshalb lassen Sie mich zu beiden Themen etwas sagen.

Die UN-Kinderrechtskonvention trat 1992 in Deutschland unter einer schwarz-gelben Regierung in Kraft. Das war ein wichtiger Schritt. Die erstmalige verbindliche Festschreibung der Kinderrechte war ein Paradigmenwechsel auf internationaler, aber auch auf nationaler Ebene. Die UN-Kinderrechtskonvention sagt klipp und klar, dass Kinder eigene Rechte haben. Die Bundesrepublik Deutschland hat 1992 aber unter der damaligen Regierung fünf Vorbehalte gegen diese Konvention geltend gemacht. In den letzten Jahren haben wir es geschafft, fast alle dieser Vorbehalte aufzuheben. Jetzt geht es noch um den Punkt IV, die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zwischen 16 und 18 Jahren.

Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung bereits mehrfach zur Rücknahme der Erklärung aufgefordert. In der letzten Legislaturperiode hat die SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit unserem damaligen grünen Koalitionspartner einen Antrag zur UN-Kinderrechtskonvention in den Bundestag eingebracht. Seinerzeit haben wir festgestellt, dass die gute kinderpolitische Bilanz der Bundesregierung - auch jetzt haben wir eine sehr gute kinder- und familienpolitische Bilanz - durch die nach wie vor bestehende Vorbehaltserklärung geschmälert wird. In der Abstimmung hat die FDP-Fraktion sowohl im Familienausschuss als auch hier im Plenum des Deutschen Bundestages gegen den Antrag zur Aufhebung der Vorbehaltserklärung gestimmt, und die Unionsfraktion hat sich enthalten. Letzteres lässt meine Hoffnung wachsen, dass wir hier zu einer gemeinsamen Position kommen.

Leider galt damals und gilt auch noch heute, dass die Rücknahme der Vorbehaltserklärung an der Mehrheit der CDU-geführten Bundesländer scheitert. Unter Rot-Grün hatten wir keinen Erfolg, als wir die Bundesregierung aufforderten, erneut an die Landesregierungen heranzutreten, um ihre Zustimmung zur Rücknahme der Erklärung zu erwirken.

Ich möchte heute ganz deutlich sagen: Wir als SPD unternehmen im Bund und in den Ländern einen neuen Vorstoß. Das Bundesland Rheinland-Pfalz hat eine Abfrage unter den A-Ländern mit dem Ziel eines erneuten Vorstoßes zur Aufhebung der Erklärung gemacht. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat soeben beschlossen, sich gegenüber Bund und Ländern für die Rücknahme der Vorbehalte einzusetzen.

Wir sind also an dem Thema dran. Deshalb appelliere ich eindringlich an unseren Koalitionspartner, an die Union: Wirken auch Sie auf die von Ihnen regierten Länder ein! Sorgen Sie dafür, dass eine vollständige Unterstützung der UN-Kinderrechtskonvention nicht mehr an den Ländern scheitert! Setzen Sie sich mit uns dafür ein, dass Deutschland auch im internationalen Zusammenhang uneingeschränkt für eine kinderfreundliche Politik steht! Ich denke, wir können gemeinsam eine sehr gute Bilanz unserer Kinder- und Familienpolitik ziehen. Es wäre aber das i-Tüpfelchen, das Highlight, wenn wir das schaffen würden. Das ergäbe eine noch positivere Bilanz unserer Regierungsarbeit in der Kinder- und Familienpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Das zweite Thema betrifft die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz: Kinder haben eigene Rechte. Ich darf auch hier daran erinnern, dass wir 1998 mit der Aufnahme des Rechts auf gewaltfreie Erziehung ins BGB damit begonnen haben, Kindern als Subjekte eigene Rechte zu geben. Wir wollen, dass alle Kinder unter den besten Möglichkeiten aufwachsen. Wir wollen die Rechte von Kindern stärken. Ein Anlass der Debatte waren - es ist schon darauf hingewiesen worden - die wirklich schlimmen Fälle von Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung. Wir wollen Kinder besser vor Gewalt schützen. Dafür brauchen wir viele verschiedene Ansätze.

Die SPD hat im Dezember 2007 einen Sieben-Punkte-Aktionsplan vorgelegt. Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten haben davon sechs Punkte beschlossen - alle außer dem Punkt „Kinderrechte ins Grundgesetz“ -, darunter passgenaue Hilfen für Eltern von Anfang an, starke Netze für Kinder und Eltern, Rechtsanspruch auf Bildung und Betreuung, Stärkung der Jugendämter und der Familiengerichte sowie ein verbindliches Einladewesen für Vorsorgeuntersuchungen.

Es war gut, dass wir uns darauf geeinigt haben. Es wäre aber noch besser, wenn wir noch mehr schaffen würden, wenn wir es zum Beispiel schaffen würden, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Das ist mehr als ein symbolischer Akt. Wir haben als SPD-Bundestagsfraktion einen konkreten Vorschlag für eine Ergänzung des Art. 6 im Grundgesetz beschlossen.

Ich möchte ganz herzlich dem Kinderschutzbund, dem Kinderhilfswerk und UNICEF danken, die mit einer breiten Initiative dafür geworben haben, dass wir eine Mehrheit für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz finden.

(Beifall der Abg. Miriam Gruß [FDP])

Viele - von der Bundeskanzlerin über die Bundesfamilienministerin und die Bundesjustizministerin bis hin zu vielen Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen; soviel ich weiß, mehr als das halbe Kabinett - haben sich für die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz ausgesprochen. Wir brauchen dafür eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Deshalb noch einmal ein Appell an den Koalitionspartner: Schließen Sie sich diesem Vorschlag für eine gute und sinnvolle Grundgesetzänderung an!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Tun Sie das im Sinne von mehr Kinderfreundlichkeit und mehr Kinderschutz in unserem Land! Geben Sie sich einen Ruck! Wir haben einen guten Vorschlag für eine solche Änderung, einen verfassungsgemäßen Vorschlag, gemacht. Seine Umsetzung würde unsere kinder- und familienpolitische Bilanz, die schon sehr gut ist, noch weiter verbessern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

14.4.08

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