Berlin | Reden

„Diesem Verbrechen entschlossen entgegenstellen“

Kerstin Grieses Rede am 26. März 2009 in der Aktuellen Stunde „Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet

Kerstin Griese (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an den Beginn der Debatte, als der Kollege Bosbach sagte, dass wir uns bei diesem Thema alle einig sind, anknüpfen. Ich finde, bei diesem Thema müssen wir uns auch alle einig sein.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)

Wenn ich mir vor Augen führe, was in dem einen oder anderen Redebeitrag gesagt wurde, bin ich allerdings, ehrlich gesagt, ein bisschen fassungslos.

(Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Wir auch!)

Ich will ganz ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir uns im Familienausschuss seit vielen Jahren sehr intensiv um den Schutz von Kindern und Jugendlichen kümmern. Dort sind wir uns auch einig. Ich halte es für nicht angemessen, sich in dieser Debatte gegeneinander auszuspielen. Für meine Fraktion sage ich ganz deutlich: Wir wollen das eine tun und das andere nicht lassen. Wir wollen alles tun, was man tun kann, um die Kinderpornografie zu bekämpfen.

(Beifall bei der SPD - Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Deswegen auch die Vertragslösung!)

Zu Beginn meiner Rede danke ich der Familienministerin, der Justizministerin, dem Innenminister und dem Wirtschaftsminister. Ich hoffe, dass Sie uns so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf vorlegen. Auch an dieser Stelle möchte ich niemanden gegen den anderen ausspielen; denn gerade bei diesem Thema gehört sich das nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Wir müssen zusammenarbeiten und zügig weitere Schritte einleiten.

Ich will aber auch betonen: Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor diesem furchtbaren Verbrechen ist ein zentrales Anliegen. Wir wissen, dass die betroffenen Kinder durch jeden Klick im Internet wieder zu Opfern werden. Wir wissen auch - das ist heute schon mehrfach gesagt worden -: Die Verbreitung von Kinderpornografie hat zugenommen, die Opfer werden immer jünger, und mit der Kinderpornografie wird immer mehr Geld verdient. Deshalb brauchen wir ein Gesamtkonzept: zur Prävention, zum Schutz der Opfer, zur Strafverfolgung und zur gesellschaftlichen Ächtung der Täter. Eigentlich sollte von dieser Debatte ein Signal in diese Richtung ausgehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)

Es geht, wie gesagt, darum, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen.

Erstens. Wir müssen alles tun, um Straftaten zu verhindern. Wir müssen diejenigen finden, die Kinder missbrauchen. Wir müssen außerdem alles tun, damit diese furchtbaren Straftaten gar nicht erst geschehen. Denn wer als Kind missbraucht worden sind, leidet das ganze Leben unter dem Missbrauch. Unsere Gesetzeslage ist eindeutig: Kindesmissbrauch ist strafbar und verboten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens. Wir müssen die Opfer schützen. Wir müssen die Kinder stark machen, damit sie in der Welt zurechtkommen und lernen, Nein zu sagen. Sie müssen aber auch wissen, an welche Stellen sie sich wenden können, wenn sie Hilfe brauchen. Wir brauchen Schulpsychologen sowie Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter. Wir brauchen eine Stärkung der Kinderrechte. Auch dafür wünsche ich mir ein gemeinschaftliches Engagement in diesem Haus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Jörn Wunderlich (DIE LINKE))

Drittens. Wir müssen die Täter bestrafen. Wenn man so tut, als geschähe dies nicht, ist das der Debatte nicht angemessen. Zum Glück werden die Täter bestraft. Seit 2003 gibt es einen eigenen Straftatbestand im Strafgesetzbuch, der die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz von Kinderpornografie unter Strafe stellt. Allein 2006 wurden auf dieser Grundlage über 1 400 Personen verurteilt. In den Jahren 2006 bis 2008 kam es zu drei großen Verfahren mit tausenden Beschuldigten. Das zeigt, wie groß und schlimm das Problem ist; es zeigt aber auch, dass unsere Strafverfolgungsbehörden an seiner Bekämpfung arbeiten. Deshalb danke auch ich denjenigen - Kollegin Griefahn hat das schon getan -, die die fürchterliche Arbeit auf sich nehmen, diese Internetseiten anzusehen, um die Täter aufzuspüren. Ich glaube, das ist eine ganz schwierige Arbeit; sie muss gemacht werden, damit wir der Täter habhaft werden. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Viertens. Wir müssen die Kinderpornografie im Internet und darüber hinaus eindämmen. Um es noch einmal zu sagen: Wenn auf deutschen Servern Kinderpornografie liegt, werden diese sofort abgeschaltet; denn es ist strafbar. Das geschieht schon jetzt; es wäre schlimm, wenn das nicht so wäre. Solche Server werden also nicht nur gesperrt, sondern abgeschaltet. Heute sprechen wir über ausländische Server, deren Inhalte über die deutschen Provider hierhin geleitet werden, sodass man auf sie zugreifen kann. Ich akzeptiere nicht - das sage ich ausdrücklich -, wenn der Eindruck erweckt wird, es gäbe hier eine Spaltung; wir sind uns alle sehr einig, dass solche Inhalte blockiert werden müssen. Das, was in Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien, Belgien, der Schweiz und anderen Ländern getan wird, wird auch bei uns stattfinden.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörn Wunderlich (DIE LINKE))

Wir brauchen dafür europaweite und weltweite Lösungen; denn nur dann kommen wir weiter. Ich finde es gut, dass die EU-Kommission alle Mitgliedsländer aufgefordert hat, Kinderpornografieseiten im Internet zu sperren. Ich finde es gut, dass der Weltkongress in Rio deutlich gemacht hat, was noch zu tun ist - es ist noch viel zu tun -, um die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen.

Im Zuge der Diskussion um Kinder- und Jugendschutz, die wir im Familienausschuss oft führen, höre ich oft das Argument, all das bringe nichts. Heute habe ich in der Zeitung gelesen, dass der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der deutschen Internetwirtschaft schon jetzt weiß, dass eine Sperre nichts bringt, weil man sie umgehen kann und weil dann andernorts veröffentlicht wird. Ich finde das nicht hilfreich. Wir müssen vonseiten der Politik deutlich machen, welche Regeln und Normen wir in diesem Land setzen; dann müssen wir alles juristisch und technisch Mögliche daran setzen, ihre Einhaltung zu gewährleisten.

Allen, die schon jetzt sagen, das helfe sowieso nichts, sage ich: Wir werden alles tun - in allen Facetten -, um Kinderpornografie zu bekämpfen. Es geht um eine gesellschaftliche Ächtung. Hier geht es um ein Verbrechen, das tagtäglich in Büros stattfindet und so etwas wie eine weiße Kriminalität ist. Das muss benannt werden, damit die Menschen, die das machen, wissen, dass sie ein Verbrechen begehen, sodass die Opfer geschützt werden und so etwas nicht mehr passiert.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es ist gut, dass es einen freiwilligen Vertrag mit 75 Prozent der Internetanbieter gibt. Ich sage ausdrücklich: Von dieser Debatte muss ein Signal an die Anbieter ausgehen, die bisher noch nicht mitmachen wollen - Freenet, United Internet und Versatel -, sich dieser Vereinbarung anzuschließen. Außerdem muss ein Gesetz her. Eine freiwillige Vereinbarung ist gut; aber ein Gesetz ist besser, um wirklich alle zu erreichen. Ein solches Gesetz muss schnell verabschiedet werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir werden uns diesem Verbrechen entschlossen entgegenstellen. Es ist das Schlimmste, wovon wir in diesem Land erfahren, das Schlimmste, das Kindern passieren kann. Deswegen sollten wir aus dem Deutschen Bundestag gemeinsamen die klare Botschaft - wir sollten uns nicht gegeneinander ausspielen lassen - an die Anbieter von Kinderpornografie und an diejenigen, die sich Kinderpornografie strafbarerweise ansehen, richten: Wir werden das nicht dulden; wir werden alles tun, um dieses Verbrechen zu bekämpfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

27.3.09

zurück | Home