Berlin | Reden

„Die Familienpolitik kommt voran“

Kerstin Grieses Rede am 7. März 2007 in der Aktuellen Stunde „Kinderbetreuung“

Kerstin Griese (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist genügend Dynamik in der Großen Koalition. Die Familienpolitik kommt voran. Dieser Erfolg hat viele Mütter und Väter. Ich danke der Ministerin von der Leyen. Ich danke Renate Schmidt, die den Zug angeschoben hat. Ich danke auch meiner Kollegin Nicolette Kressl, die heute nicht anwesend sein kann und die das Konzept für unsere Fraktion federführend erarbeitet hat,

(Dirk Niebel [FDP]: Die habe ich richtig vermisst!)

wie man beim Ausbau der Kinderbetreuung tatsächlich vorankommen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will deutlich machen, dass es um zwei Ziele geht. Das erste Ziel bezieht sich auf Bildungschancen. Davon war heute viel zu wenig die Rede. Es geht uns um Bildungschancen für Kinder,

(Beifall bei der SPD)

und zwar um Bildungschancen für alle Kinder, und um Chancengleichheit. Das hat auch viel mit Integration und Armutsbekämpfung zu tun. Das ist unser Ziel. Um der Kinder willen wollen wir bessere Bildungschancen, wollen wir eine gute Betreuung ab dem ersten Geburtstag, damit sich auf diesem Gebiet etwas tut und etwas vorankommt.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb sieht unser Konzept nicht nur einen quantitativen Ausbau vor; vielmehr geht es auch um Qualitätssteigerung. Wir sehen erstens einen Zuschlag für die neuen Bundesländer vor, die keine Quantitätssteigerung, aber mehr Qualität brauchen. Wir sehen zweitens vor, mehr Geld in die Hand zu nehmen für die Qualität in unseren Kindertagesstätten, für eine bessere Ausbildung der Erzieherinnen und der immer noch sehr wenigen Erzieher, für eine bessere Sprachförderung.

Qualität und Quantität gehören hier zusammen. Das ist auch im Sinne unserer Kinder das Beste.

Wenn wir uns die ellenlangen Wartelisten anschauen, die in jeder westdeutschen Kleinstadt, in jedem Dorf existieren, kann ich nur sagen: Wir sollten noch schneller vorankommen; der Schwung, die Dynamik sollten noch zunehmen. Es geht; man kann tatsächlich etwas verändern.

Deshalb haben wir als SPD ein Konzept vorgelegt, wie man durchfinanziert und ohne neue Schulden – Herr Kampeter, das sollten Sie einmal loben – etwas tun kann, um die Kinderbetreuung auszubauen.

(Beifall bei der SPD)

Zum Zweiten geht es uns um Sicherheit und Planbarkeit für die Eltern. Es geht um die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf. Deshalb ist mir ganz wichtig: Wir brauchen einen Rechtsanspruch. Wir brauchen nicht irgendeine Zielzahl, wie viele Plätze geschaffen werden müssen. Das kann man zwar in der Bedarfsplanung oder in der Begründung eines Gesetzes, wie beim Tagesbetreuungsausbaugesetz, festlegen. Aber wir brauchen einen Rechtsanspruch.

Denn dieser Bedarf verändert sich. Er ist mindestens so dynamisch wie die Große Koalition. Das heißt, der Bedarf wird immer größer. Immer mehr Eltern sehen: Es ist gut für mein Kind, wenn es mit anderen Kindern zusammen ist, wenn dort Bildungschancen eröffnet werden.

(Dirk Niebel [FDP]: Manche Eltern müssen einfach dazuverdienen, weil ihr zu viel abkassiert!)

Deshalb ist es gut, wenn wir sagen: Wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab dem ersten Geburtstag. Wir sagen: Man muss dafür mehr Geld in die Hand nehmen. Fast zwei Milliarden Euro mehr wollen wir dafür in die Hand nehmen. Es geht wirklich. Wir haben ein Finanzierungskonzept vorgelegt.

Wir sollten uns auch nicht darüber streiten, dass der Föderalismus daran schuld wäre, dass man nichts tun könnte. Wir haben das Kinder- und Jugendhilfegesetz auch im Rahmen der Föderalismusreform bewusst in der Bundeskompetenz belassen. Im Tagesbetreuungsausbaugesetz ist enthalten, wie man Änderungen machen kann. Dort ist ein konditionierter Rechtsanspruch vorgesehen. Diesen wollen wir auf einen Rechtsanspruch ab dem ersten Geburtstag erweitern. Es geht also; wir können tatsächlich etwas tun, und wir haben schon viel getan.

Wenn ich immer wieder höre, dass wir noch eine Konferenz brauchen und Sie, Frau Ministerin, diese durchführen müssen, so meine ich, Sie sollten das gern tun. Ich habe mich ein bisschen daran erinnert gefühlt, dass wir als SPD-Fraktion gestern im Kino getagt haben und den Film von Al Gore gesehen haben. Al Gore hat gesagt: Zum Thema Klimaschutz gibt es Hunderte von wissenschaftlichen Expertisen; alle sagen das Gleiche.

Ehrlich gesagt, das ist in der Familienpolitik auch so. Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen das Gleiche: Wir brauchen den Ausbau der Kinderbetreuung.

Wir haben den Bericht des Deutschen Jugendinstituts. Wir haben die Zahlen aus dem TAG-Bericht. Wir brauchen für etwa 50 Prozent der Kinder von ein bis zwei Jahren und für etwa 70 Prozent der Kinder von zwei bis drei Jahren Betreuungsplätze.

Wenn es noch einer Konferenz bedarf, damit der Grundsatz "Bildung für alle" auch bei den Landesministern ankommt, tun Sie das in Gottes Namen! Ich wünsche Ihnen alles Gute dabei. Aber lassen Sie uns dann endlich schnell handeln.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Liebe Frau Ministerin, Sie haben bei der Diskussion über das Elterngeld, die ebenfalls hoch herging, den schönen Satz gesagt, Sie würden bei dem männlichen Teil der Bevölkerung verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre registrieren.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre – das nimmt natürlich in diesem Hause niemand für sich in Anspruch. Aber das gibt es manchmal noch. Weil morgen Internationaler Frauentag ist, sage ich: Wenn es nicht schnell genug vorangeht, lassen Sie uns ein Frauenbündnis machen! Dass es geht, dass man etwas tun kann, ist belegt. Wir als SPD haben ein Konzept dafür vorgelegt. Am liebsten wäre mir, wir könnten das im Sinne der Kinder und Familien in unserem Land, die mehr Bildungschancen und mehr Chancen auf Integration und auf gute Betreuung ab dem ersten Geburtstag brauchen, gemeinsam gestalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

8.3.07

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