Berlin | Reden

„Was hält die Gesellschaft zusammen?“

Aussprache über den Etat des Familienministeriums in der Haushaltsdebatte

RealPlayerDie TV-Aufzeichnung der Plenarrede

Kerstin Griese im Bundestagsplenum  DSL

Kerstin Grieses Rede im Bundestag. Das Protokoll

16 Prozent mehr umfasse der Familienetat des Bundes für das nächste Jahr, freute sich die Ausschussvorsitzende Kerstin Griese in der Haushaltsdebatte des Bundestages. „Mit dieser Steigerung liegen wir an der Spitze des Bundeshaushaltes.“ Den größten Anteil nehme dabei das neu geschaffene Elterngeld ein.

Die Velberter Abgeordnete unterstrich, dass die Regierungskoalition ihr Engagement für Kinder und Jugendliche stärke. „Es geht um die Kinder, deren Chancen in Deutschland noch immer viel zu sehr von der Zahl der Bücher im Elternhaus abhängen oder davon, in welchem Stadtteil sie aufwachsen.“

„Mehr als 2,5 Millionen Kinder leben von ALG II oder von Sozialhilfe, das ist jedes sechste Kind in Deutschland“, so Kerstin Griese. Kinderarmut könne man aber nicht allein materiell und statistisch erklären. „Wir haben in den letzten Jahren nicht weniger Geld für Familien ausgegeben, im Gegenteil, die Leistungen sind kontinuierlich angewachsen.“ Kinderarmut mache sich besonders bemerkbar durch fehlende Förderangebote, Anregungen und Bildungsanreize im Elternhaus. „Wir müssen uns in der Kinder- und Jugendpolitik und in der Schulpolitik noch mehr bemühen, Chancengleichheit zu garantieren.“ Kinderarmut sei eine Folge der Erwerbslosigkeit der Eltern. Gerade für Alleinerziehende gelte: Damit sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können, müsse die Politik für ein gut funktionierendes Netz an Kinderbetreuung sorgen.

Schon vor Jahren habe die SPD-geführte Bundesregierung damit begonnen, mehr zu investieren, um Kindern früher und mehr Chancen auf Bildung und Betreuung zu geben. „Viele Ganztagsgrundschulen sind in ganz Deutschland entstanden und endlich haben die Kommunen auch in den alten Bundesländern mit dem Ausbau der Betreuung für die Unter-Dreijährigen begonnen“, betonte Kerstin Griese in der Plenardebatte.

Griese hält es für einen großen Erfolg, dass auch im Kreis Mettmann viele Grundschulen zu „Offenen Ganztagsschulen“ ausgebaut wurden. „Ohne die Vier-Milliarden-Anschubfinanzierung aus Berlin gäbe es die nicht.“ Auch die ersten neu geschaffenen Kindergartenplätze für ein- und zweijährige Kinder seien ein ganz wichtiger Fortschritt. „Es war richtig, dass wir dafür im letzten Jahr die gesetzliche Grundlage geschaffen haben.“ Die SPD-Politikerin versteht die Ungeduld vieler Eltern, dass der Ausbau von Betreuungsangeboten nicht schnell genug passiere. Sie zeigte sich aber zuversichtlich, dass er sich in der nächsten Zeit beschleunige. „Wenn alle Beteiligten guten Willen zeigen, geht das.“

Kritik übte Kerstin Griese an der NRW-Landesregierung. „In NRW sieht man die Schwerpunkte leider anders als wir hier im Bundeshaushalt. Im vom Ministerpräsidenten ausgerufenen ,Jahr des Kindes‘ zwingt die Regierung die Hälfte der Kommunen in NRW – alle die mit Haushaltsproblemen –, die massiven Kürzungen des Landes bei den Kindergärten nun über höhere Beiträge auf die Eltern umzuwälzen. Dabei hatte Ministerpräsident Rüttgers versprochen, dass die Elternbeiträge nicht steigen.“ Die Zögerlichkeit der Kommunen, diese familienfeindliche Politik umzusetzen, sei nur verständlich.

Erfreut zeigte sich Kerstin Griese, dass Mittel in Höhe von 19 Millionen Euro für das Programm „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ langfristig zur Verfügung stehen werden. „Das ist eine notwendige Verstetigung der Arbeit gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.“

Griese: „Ich habe in diesem Sommer einige Bürgerbündnisse und Mobilen Beratungsteams besucht und festgestellt, wie dort in einer großen gesellschaftlichen Breite, mit den Kirchen, den Verbänden und Vereinen, parteiübergreifend gearbeitet wird. Wir brauchen diese Strukturen“, so Griese. Die SPD wolle, dass erfolgreiche Arbeit weiter unterstützt werde. „Mobile Beratungsteams, Opferberatungsstellen und Netzwerkstellen bilden den überregionalen und strukturellen Hintergrund, damit sich viele Menschen ehrenamtlich engagieren können und so in den Städten und Gemeinden ein demokratisches Klima entstehen kann.“

Bis auf das Bundesland Thüringen hätten inzwischen alle ostdeutschen Bundesländer eine Kofinanzierung der Arbeit gegen Rechtsextremismus übernommen. „Das ist gut so. Ich habe bei meinen Besuchen erlebt, wie wichtig diese Arbeit ist und bedanke mich bei allen, die sich – oft unter schwierigen Umständen – engagieren, ganz herzlich“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete.

Kerstin Griese ist in ihrer Plenarrede auch auf die aktuelle Situation eingegangen. „In Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern werden Menschen im Wahlkampf von Rechtsextremen belästigt, fotografiert, bedroht und verfolgt – das ist Mitgliedern meiner Partei mehrfach passiert.“ Griese appellierte, dass alle gemeinsam dafür einstehen müssen, dass rechtsextreme, rassistische und Menschen ausgrenzende Parteien nicht noch einmal in die Landtage kommen.

taz: Arbeitslos im Kampf gegen Rechts

8.9.06

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