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„Kerstin Griese trifft …“

Wolfgang Thierse appelliert anlässlich der Moscheeeröffnung für mehr Toleranz

Vier Kamerateams und viele weitere Journalisten erwarteten Wolfgang Thierse, als dieser an der Wülfrather Moschee eintraf. Auf Initiative der Abgeordneten Kerstin Griese war Wolfgang Thierse zur Moscheeeröffnung eingeladen worden. Im Anschluss an den Einweihungsakt mit Reden, Musik und Koransuren nahm Wolfgang Thierse auf den roten Sesseln der „Kerstin Griese trifft …“-Reihe Platz. Über das Verhältnis von Inländern und Ausländern werde oft dann gesprochen, wenn es um ausländerfeindliche Gewalt gehe. Er sei heute nach Wülfrath gekommen, um mal auf ein positives Beispiel des Zusammenlebens hinzuweisen“, sagte der Bundestagspräsident.

Sowohl Kerstin Griese als auch Wolfgang Thierse engagieren sich gegen rechte Gewalt. „Das ist kein allein ostdeutsches Thema“, so Thierse. „Eine Gesellschaft muss krank sein, die Gewalt zum wichtigen Bestandteil ihrer Abendunterhaltung macht“, wies er auf die Medien hin. Kerstin Griese zeigte sich zufrieden, dass das Programm der Bundesregierung „Jugend für Toleranz und Demokratie“ trotz knapper Kassen weiterhin fortgesetzt wird. Der Bundestagspräsident warb in Wülfrath für Toleranz und Respekt vor dem Anderen, warnte aber auch vor entstehenden „Parallelgesellschaften“ bei manchen türkischen Jugendlichen. „Ein hochgefährlicher Vorgang.“ Das wichtigste Medium der Integration sei die Sprache, meinte der Ost-Berliner Politiker. Der Stopp des Zuwanderungsgesetzes würde leider auch die Sprachprogramme, die damit zusammenhingen, aufhalten, beklagte Griese.

In den ersten Jahren nach der Einheit sei er immer für einen evangelischen Pfarrer gehalten worden – wegen seiner ostdeutschen Herkunft, der SPD-Mitgliedschaft und des Bartes, erzählte Thierse. „Ich bin kein Pfarrer, ich bin noch nicht einmal evangelisch“, habe er dann immer gesagt. Und nach einer Pause habe er angefügt: „Ich bin katholisch.“ Kerstin Griese, selbst evangelisches Synodalmitglied, wies auf das von Wolfgang Thierse herausgegebene Buch „Religion ist keine Privatsache“ hin, in dem neben Thierse weitere katholische Sozialdemokraten geschrieben haben. Thierse ist Mitglied des Zentralkomitees der Katholiken. „In der DDR war Religion bestenfalls Privatsache.“ Als „Christenmensch“ sei er jedoch der Überzeugung, dass es „keinen bloß geglaubten Glauben“ geben könne, sondern man müsse sich in die gesellschaftliche Praxis einbringen.

Während die Moscheeröffnung eine riesige Resonanz auslöste – Wolfgang Thierse schaffte es damit bis auf die Titelseite der Frankfurter Rundschau – hatte die „Kerstin Griese trifft …“-Veranstaltung eine geringere Besucherzahl. „Schade, dass nur rund 50 Teilnehmer den Weg in das Zelt fanden“, schrieb die Niederbergische Zeitung (RP). Sie meinte, dass nicht nur für Genossen noch reichlich Platz gewesen sei, sondern „auch für Lehrer und Schüler, für junge Leute, für politisch Interessierte und für diejenigen, die immer noch meinen, in Wülfrath sei nichts los“. Der Bundestagspräsident sei „eloquent, philosophisch, kritisch und lebhaft gewesen“, lobte die RP die „60-minütige Lehrstunde in Toleranz auf Gegenseitigkeit, in ,interkulturelle Verständigung‘, Zivilcourage, Geschichtsverständnis, bekennendem Religionsunterricht“.


Presseandrang vor der Moschee.


Im Gebetsraum der Moschee: Hayerettin Kahraman, Vorsitzender des Islamischen Vereins Wülfrath, Thierse und Ali Bardakoglu, Präsident des Amtes für Religiöse Angelegenheiten der Türkei.


Wolfgang Thierse, Bürgermeister Ulrich Eilebrecht, Kerstin Griese und Ali Bardakoglu freuen sich über die Moscheeeröffnung.

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Wolfgang Thierse

17.9.03

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