Berlin

Soziales Jahr für alle

Interview der Rheinischen Post: SPD-Familienpolitikerin Kerstin Griese will Dienst-Jahre für junge Leute ausweiten und Steuerfreibeträge senken, um Kindergärten zu finanzieren

ddp: „Freiwilliges Jahr“ für Jugendliche ausweiten
AP: SPD-Politikerin Griese will Freibeträge in Kindergärten investieren
RP online: Finanzierung von Kindergärten

Die große Koalition hat sich vorgenommen, die Familienförderung neu zu ordnen. Was muss geschehen?

Griese: Unser wichtigstes Ziel: Wir wollen mehr in die frühkindliche Bildung investieren. Wir werden steuerliche Freibeträge und Kindergeld sicherlich nicht mehr erhöhen. Stattdessen muss mehr Geld in die Infrastruktur fließen. Der steuerliche Freibetrag, den man derzeit für ein Kind geltend machen darf, beträgt 5808 Euro. Davon sind 2160 Euro für Bildung, Betreuung und Ausbildung des Kindes bestimmt. Wenn wir diesen Betreuungsfreibetrag abschmelzen und stattdessen gebührenfreie Kindergärten anbieten, tut man für die gleiche Sache etwas. Man macht es aber so, dass es direkt bei den Kindern ankommt.

Sie wollen die Wehrpflicht abschaffen. Was folgt dann für jene, die zurzeit vom Zivildienst profitieren: Pflegeheime, Kindergärten?

Griese: Wenn wir die Wehrpflicht abschaffen, dann werden wir das sehr langfristig tun. An die Stelle des Zivildienstes können Freiwilligendienste rücken, die wir schon jetzt viel mehr stärken sollten. Zurzeit leisten rund 18000 junge Menschen ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr oder wollen sich im Bereich Sport und Kultur engagieren. Nach der Zahl der Bewerbungen könnten es dreimal so viele sein. Ich finde, es ist ein Skandal, dass nicht alle Jugendlichen, die sich freiwillig engagieren wollen, die Möglichkeit bekommen.

Ist dafür nicht vor allem die Politik verantwortlich?

Griese: Wir haben gerade für die Freiwilligendienste den Etat im Bundeshaushalt von 18 auf 19 Millionen Euro erhöht. Zusätzlich bekommen wir in den nächsten sieben Jahren 14 Millionen Euro an EU-Mitteln, mit denen wir vor allem Jugendliche aus bildungsfernen Schichten dafür gewinnen wollen.

Gibt es überhaupt ein gesellschaftliches Umfeld für freiwillige Dienste?

Griese: Es gibt viele gute Argumente dafür. Wer einen solchen Dienst gemacht hat, ist im positiven Sinne fürs Leben geprägt. Mein Ziel ist, dass jedem Jugendlichen schon in der Schule ein freiwilliges Jahr angeboten wird. Ein Jahr für die Gemeinschaft sollte jeder Jugendliche machen. Das kann für künftige Arbeitgeber auch ein Signal sein, dass sich jemand sozial engagiert.

Wie kann die SPD in NRW aus ihrem Tief herauskommen?

Griese: Jochen Dieckmann hat nach der verlorenen Landtagswahl die SPD zunächst einmal zusammengehalten. Das ist sein Verdienst. Mit Hannelore Kraft gibt es nun die Chance, die Oppositionsarbeit in einer Person zu bündeln. Jetzt muss es um neue inhaltliche Perspektiven gehen. Wir werden dafür sorgen, dass Bundes- und Landespartei noch enger zusammenarbeiten, damit es aufwärts geht.

Wie gefährlich ist es, dass CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers versucht, die SPD links zu überholen?

Griese: Der überholt uns nicht links. Er ist einfach ein guter Sozialschauspieler. Was er zum Arbeitslosengeld vorschlägt, benachteiligt massiv jüngere Leute und Familien.

Er ist aber erfolgreich mit seiner Methode.

Griese: Ich weiß, dass wir in NRW in einer schwierigen Situation sind. Für viele war der damalige Wechsel von Johannes Rau zu Wolfgang Clement, vom Kümmerer zum Macher, ein zu harter Bruch. Wir müssen nun stärker herausstellen, dass die SPD beides kann: sich kümmern und machen.

Sind Rüttgers’ Vorstöße auch eine Belastung für die große Koalition im Bund?

Griese: Es ist eher eine Belastung für die CDU im Bund. Ich weiß, dass die Kanzlerin sein Vorgehen nicht gut findet. Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat zugesagt, dass der Antrag zum Arbeitslosengeld I nicht in die große Koalition eingebracht wird. Für die SPD ist Rüttgers’ Vorgehen schwierig, weil wir viel Kraft brauchen zu erklären, dass sein Vorschlag zum Arbeitslosengeld nicht sozial ist.

Die Berliner Runde mit der Chefin des Bundestags-Familienausschusses, Kerstin Griese (SPD), wurde zusammengefasst von Eva Quadbeck.

18.12.06

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