Berlin

Rede in der jugendpolitischen Plenardebatte

Kerstin Griese, Berichterstatterin der SPD-Fraktion, am 8. November 2001

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

eigentlich ist die Wahrnehmung vieler Jugendlicher richtig: Jugendliche spielen in der Politik keine oder eine zu geringe Rolle.

Das ändern wir gerade, und zwar schon seit 1998. Wir stellen Kinder und Jugendliche, ihre Interessen und ihre Perspektiven, in den Mittelpunkt.

Mit 34 Jahren gehöre ich noch zu den jungen Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Ich glaube nicht, dass alle Probleme damit gelöst sind, wenn ausschließlich junge Leute Interessen in der Politik vertreten. Aber die Blockaden der Regierung Kohl wurden auch durch einen Generationenwechsel abgelöst. Ein Bestandteil dieses Generationenwechsels sind viele jüngere Abgeordnete die vor allem auf den Bänken der Regierungsfraktionen, vor allem bei der SPD und den Grünen zu finden sind.

Wir machen ein Angebot an die Jugendlichen: Wir wollen zum Einsatz für unsere demokratische Gesellschaft herausfordern. Der Vorwurf, Jugendliche würden nicht gefragt, gilt nicht mehr. Wir machen Angebote zur Diskussion und zur Mitgestaltung. „Ich mache Politik“ ist der Slogan der Beteiligungsbewegung, die das Jugendministerium ins Leben gerufen hat und die in dieser Woche begonnen hat. Zuerst einmal hört jetzt die Politik zu, wenn Jugendliche aus allen Bundesländern den Ministerinnen und Ministern ihre Meinung sagen.

Jugendliche geben oft Anstöße für gesellschaftliche Debatten und Bewegungen, die ein gerechteres Miteinander der Menschen zum Ziel haben. Gerade nach den Anschlägen vom 11. September, waren es Tausende von Jugendlichen und Schulklassen, die ihre Solidarität mit den USA, ihre Friedenssehnsucht und ihren Einsatz für Toleranz gezeigt haben, hier in Berlin vor der amerikanischen Botschaft und an vielen anderen Orten. Ich denke, dieses Engagement muss man würdigen.

Dies zeigt auch, dass Jugendliche nicht unpolitisch sind. Sie interessieren sich zum Beispiel für den Ausstieg aus der Atomenergie, für den Abbau der Staatsschulden, für eine gesunde Umwelt und für einen interessanten Job. Und genau von diesen Entscheidungen hängt die Zukunft unserer Gesellschaft ab.

Deshalb bedeutet unsere Jugendpolitik, dass alle Ressorts, vom Arbeitsministerium bis zum Wirtschaftsministerium, von der Bildung bis zur Entwicklungshilfe die Belange von Kindern und Jugendlichen beachten und fördern. Denn – und das steht bei uns im Mittelpunkt – Generationengerechtigkeit ist ein Ziel unserer Politik.

Kinder und Jugendliche wollen sich engagieren, die Gesellschaft gestalten. Sie wollen sich selbst organisieren, das ist das Prinzip der Jugendverbände. Um kontinuierliche Partizipation zu gewährleisten, ist die Arbeit der Jugendverbände unverzichtbar. Deshalb möchte ich an dieser Stelle den Aktiven im Deutschen Bundesjugendring und seinen Mitgliedsverbänden, in denen zirka fünf Millionen Jugendliche ehrenamtlich aktiv sind, für seine wichtige Arbeit danken. Ich freue mich, dass Gaby Hagmans, die Vorsitzende des Bundesjugendringes, an dieser Debatte teilnimmt.

Ich möchte insbesondere auf ein Thema eingehen:

Beim Thema Rechtsextremismus stehen wir vor einem gesamtgesellschaftlichen Problem. Dabei wäre es falsch, allein Jugendliche für Gewalt und Fremdenfeindlichkeit verantwortlich zu machen. Ebenso falsch wäre es, allein nach Ostdeutschland zu gucken.

Die Ursachen sind vielfältig: mangelnde Ausbildungs- und Arbeitsperspektiven, fehlender Halt in der Familie und die Suche nach einfachen Lösungen auf Kosten von Minderheiten, um nur einige Aspekte zu nennen.

Die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit gehört den wichtigsten Aufgaben unserer Politik. Kontinuierliche Jugendpolitik ist die beste Prävention gegen Rechtsextremismus. Wir müssen – neben den natürlich nötigen repressiven Maßnahmen – diejenigen Jugendlichen, die sich rechtsextrem orientieren und gewaltbereit sind, in die gesellschaftliche Mitte zurückholen. Wir müssen aber auch diejenigen, die in der Mitte der Gesellschaft stehen und sich für Demokratie und Toleranz einsetzen, unterstützen.

Hier haben wir Schwerpunkte gesetzt:

  1. Mit dem Aktionsprogramm „Jugend für Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ wird mit 30 Millionen Mark in diesem Jahr die Stärkung des demokratischen Engagements junger Menschen gefördert. Aus diesen Mitteln wird zum Beispiel der Ideen- und Aktionswettbewerb der evangelischen Jugend "Auf Dich kommt es an" gefördert. Mit dem Symbol eines Spiegels soll der Blick nicht nur auf den Einzelnen, sondern auch auf die Welt dahinter gelenkt werden. Solche Projekte müssen weiter gefördert werden. Wir von der SPD setzen uns für eine Verstetigung der Haushaltsmittel ein. Ihnen von der CDU/CSU ist dazu ja nur eingefallen, das Wort „Rechts“ zu streichen, wobei Sie meines Erachtens die tatsächlichen Probleme in unserem Land verkennen.
  2. Das Programm CIVITAS, das mit 10 Millionen Mark in diesem Jahr Projekte zur Beratung, Ausbildung und Unterstützung von Initiativen gegen Rechtsextremismus und zur Opferberatung in den neuen Bundesländern fördert. Gerade Ansätze, in denen sich Jugendliche für Jugendliche auf der lokalen Ebene engagieren, halte ich für besonders sinnvoll. Zum Beispiel arbeiten in Sachsen im Netzwerk Demokratie und Courage gemeinsam mit der DGB-Jugend Schüler mit anderen Schülern in Workshops daran, Vorurteile zu erkennen und zu hinterfragen. Das ist ein sinnvoller Beitrag zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit.
  3. Das Programm „XENOS – Leben und Arbeiten in Vielfalt“, das antirassistische und arbeitsmarktbezogene Maßnahmen verknüpft. Es setzt dort an, wo Menschen gemeinsam arbeiten und lernen. Dazu gehören zum Beispiel Konfliktmanagement und interkulturelles Training in Berufsschulen. Das ist sinnvolle Präventionsarbeit.

Das Interesse der Jugendverbände und Initiativen, an diesen Programmen mitzuwirken, war viel größer als erwartet. Das zeigt, wie wichtig diese Arbeit ist und wie vielfältige Ansätze in der Jugendarbeit existieren.

Ein wichtiges Feld ist dabei auch die internationale Jugendarbeit, 350.000 Jugendliche konnten im Jahr 2000 mit Bundesunterstützung an diesen Begegnungen teilnehmen. Gerade nach dem 11. September halten wir es für wichtig, die intensive Auseinandersetzung mit anderen Ländern, Kulturen und Religionen zu verstärken. Ich freue mich über die geplante Aufstockung der Mittel des deutsch-polnischen Jugendwerkes und über die Eröffnung des Koordinierungsbüros für den deutsch-israelischen Jugendaustausch in Wittenberg.

Wir wollen Jugendlichen Chancen geben, gerechte Chancen auf Arbeit und Bildung und gerechte Chancen zur demokratischen Teilhabe. Wir sorgen dafür, dass alle Kinder und Jugendlichen in unserer Gesellschaft eine Chance haben, auch die aus verschiedenen Gründen benachteiligten Jugendlichen.

Zu Ihrer Regierungszeit, meine Damen und Herren von der Opposition, haben Sie den Bildungsetat permanent gekürzt. Wir investieren endlich wieder in die Bildung. Das sichert Zukunftschancen für die junge Generation.

Durch die Reform der Ausbildungsförderung haben zusätzlich 80.000 junge Menschen Anspruch auf BAföG. Die Ausgaben für Bildung und Forschung wurden dieses Jahr zum dritten Mal in Folge deutlich erhöht. Wir haben neue Ausbildungsberufe, besonders im IT-Bereich, geschaffen und bestehende modernisiert.

Wir eröffnen Zukunftsperspektiven für Kinder und Jugendliche durch Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das JUMP-Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit hat von 1999 bis zum 31. Juli 2001 rund 333.000 Jugendlichen eine neue Chance verschafft. Eine Chance, die sie in den 16 Jahren Ihrer Regierung nicht bekommen haben. Für die Jahre 2002 und 2003 ist vorgesehen, das Programm mit jeweils zwei Milliarden Mark fortzusetzen.

Wir halten die Verbesserung der sozialen Situation benachteiligter Kinder und Jugendlicher für eine wichtige Aufgabe. Wir wollen den sozialen Zusammenhalt in Stadtteilen und Regionen stärken. Deshalb soll das erfolgreiche Programm „Entwicklung und Chancen junger Menschen in sozialen Brennpunkten“ (E&C) fortgeführt und sogar ausgebaut werden, was ich sehr begrüße.

Kinder und Jugendliche sollen gemeinsam aufwachsen und miteinander lernen und leben. Das ist am besten in Kinderbetreuungseinrichtungen möglich. Auch deshalb ist der Ausbau von Kinderbetreuung ein wichtiger Schritt zur sozialen Integration. Dazu gehört auch, dass Kinder mit Migrationshintergrund in Betreuungseinrichtungen besser die deutsche Sprache lernen können.

Willy Brandt rief Anfang der siebziger Jahre der jungen Generation zu: „Mehr Demokratie wagen“. Gerhard Schröder und viele andere Mitglieder der Regierung und des Bundestages kommen aus genau der Generation, an die dieses Angebot gerichtet war.

Heute sagt die Bundesregierung von Christine Bergmann und Gerhard Schröder: „Den Jugendlichen Chancen geben.“ Jetzt kommt es darauf an, diese Chancen wahrzunehmen.

Zeigen wir Jugendlichen, dass die Politik nicht jugendverdrossen ist. Die rot-grüne Bundesregierung hat damit angefangen.

12.11.01

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