Niederberg/Ratingen

Mit „Kessie“ zieht sie in den Wa(h)lkampf

Velberter Zeitung (WAZ), 28.8.2002

Von Carmen Krafft-Dahlhoff

Sie ist jung, sie versteht sich als Linke und sie zieht ein Leben für die Politik einer Karriere an der Hochschule vor. Nach zwei Jahren als SPD-Abgeordnete möchte Kerstin Griese weiterhin im Deutschen Bundestag mitmischen.

Die politische Laufbahn begann für Kerstin Griese dort, wo sich auch Bundeskanzler Gerhard Schröder einst warmlief: in der ersten Reihe der Jungsozialisten. Als Juso war sie Präsidentin des Studentenparlaments der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, von den Jusos am Niederrhein wurde sie mit 29 Jahren für den Bundesparteivorstand vorgeschlagen.

Im Olymp der SPD arbeitet die Historikerin mit der Parteiprominenz Hand in Hand. Als sie vor zwei Jahren über die Landesliste auf ihrem Sessel im Berliner Plenarsaal Platz nahm, musste sie sich den wichtigen Sozialdemokraten nicht erst vorstellen. „Kerstin“ kannte man eben.

Im Wahlkreis 106 - hier ist sie Nachfolge-Kandidatin von Regina Schmidt-Zadel (MdB) - fühlt sich die Neu-Velberterin mittlerweile pudelwohl: „Im Gegensatz zur Großstadt ist hier echte Bürgernähe möglich.“ Im Wahljahr wird Griese 36 Jahre. Damit endet auch für die Frau, die als Teenager durch die Jugendarbeit in evangelischen Kirchengemeinden geprägt wurde, die Zeit in der Nachwuchs-Schmiede, die einst für Anti-Bürgerliches stand. Die Frau (in Nordrhein-Westfalen einzige Sozialdemokratin unter 40 mit eigenem Wahlkreis) tröstet sich damit, dass im Bundestag auch SPD-Abgeordnete eine Heimat finden, die sich als Reformer fühlen - und über 35 sind.

Parteifreund Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (47), gehört zu jenem „Netzwerk junger Abgeordneter“, deren Sprecherin Kerstin Griese ist. „Die Aufteilung in Parteiflügel ist überholt“, versichert die Rheinländerin, die viele Jahre an der Düsseldorfer Gedenkstätte für Opfer des Nationalsozialismus arbeitete. „Wir suchen nach innovativen Ideen. Und das ist nicht vom Alter abhängig.“

Generationen-Gerechtigkeit bei der Renten gehöre ebenso zum Programm des Netzwerkes wie die Zustimmung zu den Vorschlägen der Hartz-Kommission. „Wir unterstützen Schröder“, sagt Kerstin Griese bestimmt. Der Kanzler sei ein Mann der „linken Mitte“, einer von ihnen.

Es ist vor allem die Familienpolitik, die ihr als Mitglied im Ausschuss für „Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ am Herzen liegt. „Dreh- und Angelpunkt ist die Ganztagsbetreuung - nur wenn wir die weiter ausbauen, können Frauen berufstätig sein.“ Selbst ledig und ohne Kinder, hat sie durch die Zwillinge der Schwester und befreundete Familien eine Vorstellung davon, was es heißt, Kind und Job unter einen Hut zu bekommen. Kindergeld-Erhöhung und Steuer-Freibetrag seien zwar noch nicht genug, „aber ein Anfang ist gemacht.“

Unterstützen würde die Sozialdemokratin auch gerne Senioren, die nach der Erwerbstätigkeit mehr tun wollen als Hobbys pflegen. Der Vorschlag, ein Freiwilliges Soziales Jahr für Ältere anzubieten, stamme u. a. von Rita Süssmuth. „Dafür würde ich mich gerne stark machen.“ Bei allem Ernst, mit dem die Neu-Birtherin an Informations-Ständen und Festen um Stimmen wirbt - Gags wie „Kessi“, der blaue Wa(h)lfisch (er wird von ihren Helfern vor allem vor Schwimmbädern verteilt), gehören für „Kerstin“ - so stand´s auf ihren Plakaten - zum Wahlkampf dazu.

Und während der Beschenkte noch überlegt, ob er es mutig findet, dass die Kandidatin mit einem üppigen „Kessi“ für sich wirbt, lacht Kerstin Griese schon: „Ich esse nun mal gern.“

Angesichts eines komfortablen zwölften Platzes auf der Landesliste hat Kerstin Griese beste Aussichten, auch zukünftig nach einem 14-Stunden-Tag in ihrer Berliner Zweit-Wohnung am Prenzlauer Berg Pasta kochen zu können.

Den Wahlkreis 106 gewinnen möchte die Abgeordnete trotzdem unbedingt. „Schließlich spiegelt sich hier immer der Bundestrend“, sagt sie erklärend.

Velberter Zeitung

28.8.02

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