Niederberg/Ratingen

„Pfarrerstochter kämpft für einen ,sozialen Sozialstaat‘“

Die Velberter Zeitung (WAZ) portraitiert Kerstin Griese:

Ihr Konterfei hängt an jedem achten Baum. Listenplatz-8-Frau Kerstin Griese lächelt sympatisch in ihren Wahlkreis hinein. Aber sie will mehr: direkt gewählt werden.

Kerstin Griese, seit 2000 Abgeordnete, eine Kämpferin nicht nur in Wahlkampfzeiten, in denen sie ungezählte Termine wahrnimmt. Etwa fünf Podiumsdiskussionen pro Tag. Sie kämpft für „die Menschen und den sozialen Sozialstaat“. Nicht umsonst ist sie Bundesausschussvorsitzende für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Mittlerweile ist die 38-Jährige wohl bekannt in ihrem Wahlkreis. „Ich versuche, so oft wie möglich hier zu sein,“ sagt sie und ergänzt: „Weil ich gerne hier bin und die Leute hier einfach klasse sind.“ Nun, sie ist auch bekannt. Insofern wissen viele Leute um ihre politische Vita. Aber es gibt auch eine private Kerstin Griese. Geboren wurde die Pfarrerstochter in Münster als ältestes von drei Mädchen. Die Familie zog um ins Fränkische, später nach Düsseldorf. Dort machte sie 1985 ihr Abitur, studierte Geschichte und Politikwissenschaften an der Heine-Uni und schloss 1997 als Historikerin ab. Dass sie sowohl bei den Jusos als auch im AStA an der Uni mitmischte, versteht sich fast von selbst. Zunächst neben dem Studium und anschließend festangestellt engagierte sie sich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in Düsseldorf.

Vor fünf Jahren rückte sie über die SPD-Landesliste für einen ausgeschiedenen Abgeordneten in den Bundestag nach und war dort zunächst Sprecherin der jungen Gruppe in der SPD-Fraktion. Die „Financial Times“ hat sie als „Fürsprecherin der jungen Generation“ porträtiert.

Mit diesem Etikett ist sie einverstanden. Aus zumeist jungen Leute rekrutiert sich ihr Wahlkampfteam vor Ort. Sie schmunzelt: „Aber ebenso klasse können ältere Leute sein. Mein Vater zum Beispiel.“ Nun, der ist jetzt Pfarrer im (Un-)Ruhestand und „ständig auf Achse“, sagt sie und wird privat. „Jetzt ist er für längere Zeit in Italien und hat ein wichtiges christliches Projekt laufen.“ Ihre Mutter ist nicht mitgekommen, ist noch nicht im Ruhestand. Die beiden Schwestern, beide Mütter mehrerer Kinder, müssen auch auf Papa verzichten. Kerstin Griese: „Es ist unglaublich, was man im Alter so alles auf die Beine stellen kann.“ Sie hängt an ihrer Familie, hängt an ihren Freund/innen. „Echte Freundschaften sind etwas Wertvolles, halten ein Leben lang,“ ist ihre Überzeugung. „Vor allem sagen die mir, ob ich abhebe oder am Boden bin.“ Moment mal, abheben? Blitzschnell reagiert sie: „Wenn man die Menschen nicht mehr wirklich wahrnimmt sondern“ - ein Hieb gegen Angela Merkel - „von ,den Menschen draußen‘ spricht.“

Wie lebt Kerstin Griese? „Ich lebe allein in Ratingen, mittendrin, und habe eine 80-qm-Wohnung“, antwortet sie - und fragt flott nach: „Ist das protzig?“ Ihre Wohnung ist ganz und gar schwedisch in „Sören“ und „Billy“ gehalten. „Bis auf meine drei Lieblingssachen“, ergänzt sie, „einem uralter Küchentisch, einem genauso alten Küchenschrank, auf dem noch Aufkleber meiner Eltern drauf sind und einer alten Garderobe.“ In Berlin bewohnt sie ein kleines Apartment am Prenzlauer Berg. „Da steht nicht viel drin. Ist nur zum Schlafen.“

Wenn Kerstin Griese Zeit hat, kocht sie mit Freunden, liest leidenschaftlich gern Krimis, geht zu Konzerten der „Toten Hosen“ oder in die Sauna - „das aber nicht in meinem Wahlkreis.“ ewi

11.9.05

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