Niederberg/Ratingen | Kerstin Griese trifft …

Renate Schmidt fordert mehr Zeit für Familien

150 Interessierte verfolgten das Gespräch zwischen der Familienministerin und Kerstin Griese

Renate Schmidt und Kerstin Griese in den roten Sesseln.

Mentalitäten wolle sie verändern, sagte Renate Schmidt in Ratingen, das sei dreimal schwieriger, als Gesetze zu schreiben. Sie war „zum Abschluss der Frühjahrsgespräche ,Kerstin Griese trifft …‘ ins Relexa Hotel Ratingen gekommen, um 150 gespannten Zuhörern Rede und Antwort zu stehen“, schrieb die Rheinische Post. „Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf nahmen in den Diskussionen großen Raum ein.“

Bei der Kinderlosigkeit sei Deutschland weltweit führend, stellte die Familienministerin fest. 30 Prozent seien kinderlos, bei Frauen mit einer langjährigen Ausbildung seien es sogar mehr als 40 Prozent, obwohl sich sehr viele Menschen eine Familie wünschen. „Aus Kinderwünschen müssen Kinderwirklichkeiten werden“, forderte Schmidt vor den Besucherinnen und Besuchern, die teilweise auf dem Boden sitzen und im Gang stehen mussten. Dabei drängte sie nachdrücklich die Wirtschaft, die sie in der Pflicht sähe. Die Spitzenverbände der Wirtschaft seien in die von ihr gegründete „Allianz für die Familie“ eingebunden. Kerstin Griese ergänzte, dass an dem von ihr initiierten „Bündnis für Familie“-Treffen selbstverständlich die örtliche IHK vertreten gewesen sei.

Renate Schmidt wusste die Zuhörer zu begeistern. „Die Menschen in Deutschland wollen Kinder. Im Durchschnitt 2,4 – obwohl sie natürlich ganze Kinder wollen.“ Die Ratinger Abgeordnete Kerstin Griese sagte, dass in den europäischen Nachbarländern, in denen es eine gute Kinderbetreuung und mehr berufstätige Frauen gebe, die Geburtenrate deutlich höher sei. „Man kann daraus nur lernen“, stimmte ihr die Ministerin zu. Mit 2,7 Prozent Krippenplätzen sei Westdeutschland das „absolute Schlusslicht“ in der EU.

„Eltern brauchen Zeit für ihre Kinder, Kinder brauchen Eltern, die Zeit haben“, sagte Renate Schmidt. „Kein Elternpaar stellt sich vor, die Kinder nach der Geburt in der Krippe abzugeben und dann mit 18 mit den vorher vereinbarten Qualitätsmerkmalen abzuholen.“

Die Familienausschussvorsitzende Griese forderte, dass die Kindergärten mehr für die Bildung tun müssten. Schmidt stimmte ihr zu. Sie sei gegen eine Verschulung der Kindergärten, aber man müsse der Neugier der Kinder Rechnung tragen. Leider würde in Deutschland viel mehr Geld für die gymnasialen Oberstufen ausgegeben, als für die Kindertageseinrichtungen, kritisierte Schmidt. „Auf den Anfang kommt es an. Deutschland hat sich lange mit dem Lebensende beschäftigt, da sind die Jüngsten etwas ins Hintertreffen geraten. Kinder sind unsere Zukunft. Kindertagesstätten sollen Bildungsziele vereinbaren, die Neugier fördern.“

Verwundert zeigte sich die Ministerin, als sie in der lebhaften Diskussion erfuhr, dass Ratingen keine offenen Ganztagsgrundschulen einrichten wolle. „Das habe ich ja noch nie gehört.“ Renate Schmidt verwies darauf, dass sie die Ganztagsschulen mit insgesamt vier Milliarden Euro fördere.

SPD-Fraktionschef Joachim Galinke beklagte, dass die Stadtspitze freiwillig auf enorme Summen für die Einrichtung der offenen Ganztagsschulen verzichte, obwohl der Bedarf der Eltern vorhanden sei. Landtagsabgeordneter Hans Kraft bestätigte: „Das Geld liegt beim Land bereit, aber es wird nicht abgerufen.“

Schmidt erzählte, dass in ihrer bayerischen Heimat das Land die Ganztagsgrundschulen nicht wolle, während die Kommunen das Geld aber gerne investieren würden. Dass aber umgekehrt eine Stadt das Geld nicht habe wolle, sei ihr neu.

Auch die Bundestagsabgeordnete Lilo Friedrich und Dirk Tratzig setzten sich für mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit ein. Der Ratingen Bürgermeisterkandidat Tratzig unterstrich, dass Kinderfreundlichkeit ein wichtiger Standortfaktor für eine Stadt sei.

Zum Abschluss brach die Ministerin eine Lanze für die Familie, notierte die Rheinische Post. „Ich hätte mir ohne Kinder durchaus ein Ferienhaus mit Pool auf Lanzarote leisten können. Aber wenn wir bei Familienfeiern mit 14 Personen um den Tisch sitzen, möchte ich das um nichts in der Welt eintauschen.“

Familienministerium

10.6.04

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