Niederberg/Ratingen

„Staat, Gesellschaft, Politik“

Die Analyse „Deutschland als Verantwortungsgesellschaft“ im Wortlaut

Kerstin Griese erklärte auf der netzwerkNRW-Tagung am 25. August 2001:

Welche Rolle spielen Politik und Staat, welche die Gesellschaft, welche die Selbstverantwortung des Einzelnen? Dies ist das Thema, das wir heute diskutieren wollen. Ich will dazu ein paar Anregungen aus einem Papier zitieren, dass die baden-württembergische SPD-Vorsitzende Ute Vogt und ich gemeinsam als Diskussionspapier für das Netzwerk 2010 auf Bundesebene geschrieben haben, unter dem Titel „Deutschland als Verantwortungsgesellschaft“:

„Die Menschen sind bereit, in höherem Maße selbst Verantwortung zu übernehmen für ihr eigenes Leben, denn sie haben erfahren, dass der Staat mit einem allzu umfassenden Aufgabengebiet überfordert ist und schlecht arbeitet. Deshalb kommt es heute darauf an, weitere Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Entfaltung dieser neuen Einstellungen zum Nutzen der ganzen Gesellschaft möglich machen:

Deutschland braucht eine neue Balance zwischen dem Einzelnen und der Gemeinschaft, zwischen dem Bürger und seinem Staat: Mehr Subsidiarität, mehr Eigenverantwortung und mehr Gemeinwohlorientierung – dies sind die Leitbegriffe, an denen sich eine solche Balance ausrichten muss.

Zu lange Zeit beruhte das Staatsverständnis vieler in Deutschland auf einem Widerspruch: Einerseits wurde der Staat, seine Gesetze und Organe als Gegner und bedrohliche Obrigkeit gesehen, die es einzuschränken, zu regulieren oder gar zu bekämpfen galt. Zugleich wurde derselbe Staat mit seinen Instrumenten und Institutionen stets als erstes und prinzipiell bestes Mittel gesehen, um gesellschaftliche Entwicklungen zu steuern, zu befördern oder zu verhindern. Diese Gegensätzlichkeit ist in der programmatischen Orientierung der SPD noch immer nicht vollständig aufgelöst.

Dabei haben die Bürgerinnen und Bürger heute ein größeres Selbstbewusstsein und stehen dem Staat unverkrampfter gegenüber als früher. Der Staat wird nicht länger als Gegner, sondern als Partner gesehen: Er soll einen stabilen Rahmen für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft gewährleisten, er soll Chancen eröffnen, Freiräume schaffen und schützen und Sicherheit nach innen und außen gewährleisten. Die Legitimation staatlicher Tätigkeit bemisst sich heute weniger an abstrakten Grundsatzfragen, sondern an der Erfüllung eben dieser Kernaufgaben.

Teil dieses neuen Verständnisses vom Staat ist die Einsicht, dass Politik mehr ist als die Gestaltung der Gesellschaft im Wege von Gesetzen und Verordnungen. Mit Eigeninitiative, Selbstverantwortung und Gemeinsinn lassen sich oftmals ebenso gute Problemlösungen erzielen wie mit staatlichen Regulierungen. Mehr Vertrauen in die Selbststeuerungskräfte der Gesellschaft, mehr Mut zur Zurückhaltung bei der Tätigkeit des Staates, mehr Unterstützung für die Bürgergesellschaft – das ist unsere Antwort auf die Überregulierung, die in nahezu allen Bereichen unseres Lebens zu finden ist.

Verantwortung statt Verwaltung: Dieses Motto soll künftig Grundlage jeder Reformmaßnahme sein.“

Netzwerk 2010
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