Niederberg/Ratingen

„Einfache Antworten gibt es nicht“

Biomedizin und Gentechnologie

„Spannend und sehr informativ“, so Kerstin Griese, sei die Diskussion zur Biomedizin und Gentechnik gewesen, zu der sie zusammen mit den Jusos ins Kulturzentrum zakk eingeladen hatte. Die promovierte Biotechnologin Carola Reimann, eine junge Bundestagskollegin von Kerstin Griese, schilderte ungemein sachkundig und verständlich den Streit um die Präimplantationsdiagnostik (PID) und die Stammzellenforschung.


Kerstin Griese, Michael Funken und Carola Reimann.

Im Publikum saßen bei dieser Gesprächsrunde sowohl Experten aus den Bereichen Biologie, Geschichtswissenschaft, Philosphie und Theologie als auch interessierte Bürgerinnen und Bürger. „Das ist ganz wichtig“, findet Kerstin Griese. „Denn Fragen des menschlichen Lebens dürfen nicht allein von Wissenschaftlern entschieden werden, sondern sie brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte.“

„Einfach haben es nur die katholische Kirche und einige Forschungsenthusiasten", fasste der Moderator Michael Funken, ZDF-Journalist, die Diskussion zusammen, die eine Folge der künstlichen Befruchtung ist. Dürfen wir die dabei entstehenden Embryonen mittels PID selektieren? Und dürfen wir die überzähligen Embryonen für Forschungszwecke verwenden und dabei töten?

Bei PID waren sich Kerstin Griese und Carola Reimann einig. Sie fänden ein Verbot von PID falsch. Schließlich seien gentechnische Untersuchungen während der Schwangerschaft, zum Beispiel eine Fruchtwasseruntersuchung, erlaubt und würden oft zu Abtreibungen führen. „Es kann doch nicht sein, dass man einen Gentest vor der Einpflanzung des Embryos verbietet und sie im Mutterleib dann erlaubt.“ Reimann möchte die Situation ähnlich dem Paragraf 218 regeln, zusätzlich aber auch noch eine Ethikkommission einrichten. „Im Gegensatz zu einer Abtreibung steht man bei der PID nicht unter Zeitdruck. Man hat also Zeit, eine Entscheidung zu überprüfen.“

In der öffentlichen Debatte wird der Eindruck erweckt, als ob alles von den Genen abhänge, kritisierte Reimann. Dabei wird der Mensch in erster Linie von seiner Umwelt geprägt. „Nur vier Prozent aller Behinderungen sind genetisch bedingt“, unterstrich Griese, die deutlich machte, dass die Akzeptanz von Behinderung erhöht werden müsse. „Ich habe mich zwar als Historikerin sehr viel mit Behinderten und der Ermordung durch die Nazis beschäftigt. Doch wann komme ich im heutigen Leben schon mal mit Behinderten zusammen?“ fragte sie. „Wir brauchen beispielsweise viel mehr integrative Schulen.“


Engagierte Debatte im Biergarten.

„Ist Deutschland das moralischste Land der Welt?“ fragte eine Bürgerin. Reimann antwortete, dass es dabei eigentlich nicht um Moral ginge. Sie berichtete aus den USA, dass dort die Diskussion zwischen radikalen so genannten Lebensschützern und den Forschungsbefürworten viel undifferenzierter ablaufe. Griese sagte, dass sie – auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte – froh sei, dass wir uns so schwer täten.

Carola Reimann, Mitglied der Enquête-Kommission zur „Recht und Ethik des modernen Medizin“, kritisierte die übertriebenen Heilsversprechen der Befürworter der Stammzellenforschung. „Das was heute versprochen wird, kann innerhalb der nächsten 10, 15 Jahre sicherlich nicht eingehalten werden.“ Man müsse weiterhin auch andere Therapieansätze in der Forschung fördern und mehr als so genannte „adulte“ Stammzellen setzen, die nicht von Embryonen stammen.

Klare gesetzliche Regeln verlangte Reimann für den Umgang mit den genetischen Daten eines Menschen. Es müsste beispielsweise für Arbeitgeber und Versicherungen nicht nur verboten sein, Gentest zu verlangen, sondern auch, die Ergebnisse von Gentest anzunehmen.

Was kann der Mensch? Was darf der Mensch? Ein Kommentar von Kerstin Griese
Glossar Biomedizin – zusammengestellt von Carola Reimann

11.9.2001

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