Berlin

Westerwelles Vorwürfe widersprechen der Würde des Menschen

Existenz ist mehr als das physische Überleben

Kerstin Griese hat Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) vorgeworfen, Menschen pauschal zu verurteilen. „Westerwelle hat die sozialpolitische Debatte am völlig falschen Ende begonnen“, kritisierte Diakonie-Vorstand Griese in einem Gespräch mit dem epd. Bei Arbeitslosen handele es sich häufig um Menschen, die unverschuldet in diese Lage gekommen seien. „Westerwelles Vorwürfe widersprechen der Würde des Menschen.“ Griese wies darauf hin, dass gut ausgebildete Alleinerziehende, die arbeiten wollten, wegen fehlender Kinderbetreuung häufig keinen Job fänden. „Investitionen in eine bessere Infrastruktur sind daher genauso wichtig wie höhere Hartz-IV-Regelsätze für Kinder.

Kerstin Griese, die dem Bundesvorständen der Diakonie  und der SPD angehört, sprach sich für einen gesetzlichen Mindestlohn aus. „Die Debatte schreit geradezu danach.“ Dem Argument, Mindestlöhne vernichteten Arbeitsplätze, könne sie nicht folgen, da dies in anderen EU-Staaten auch nicht der Fall sei.

Den Katalog des Bundesarbeitsministeriums für Hartz-IV-Härtefälle kritisierte Griese. „Es gibt viel mehr Härtefälle, als in diesem Katalog enthalten sind“, sagt sie dem epd. Dazu zählte sie Ausgaben für Klassenfahrten. Auch die Regelung für Nachhilfe bedeute, dass weiterhin Kinder ausgegrenzt würden, deren Eltern Geld für Nachhilfe nicht hätten.

Das Bundesverfassungsgericht habe viele der auch von der Diakonie vorgebrachten Bedenken gegen die geltenden Regelungen aufgegriffen, erläuterte Kerstin Griese. „Kinder seien – so das Verfassungsgericht wörtlich – keine kleinen Erwachsenen sondern haben ganz spezielle Bedarfe. Sie wachsen aus ihrer Kleidung schneller als Erwachsene hinaus und kommen zu kurz, wenn der Zugang zu Musikschulen oder Sportvereinen verwehrt bleibt, weil sie sich noch nicht einmal ein Leihinstrument oder Turnschuhe leisten können.“ Das Verfassungsgericht habe deutlich gemacht, dass Existenz mehr ist als das physische Überleben und dafür gesorgt, dass sich diese an sich selbstverständliche Erkenntnis künftig auch in der Sicherstellung des Existenzminimums niederschlägt.

vorwaerts.de: Armutsrisiko in Deutschland

19.2.10

Home