Berlin

Die Details der Familienförderung

Handelsblatt: Alleinerzieher profitieren am meisten
vorwärts: Unklarheiten bei der Neuregelung der Familienförderung

Kerstin Griese im Gespräch mit Stefan Karkowski im Mittagsmagazin auf WDR 2

Die Merkel-Koalition tut was für die Familien. Nur über die Details ist man sich nicht immer einig. Die SPD wollte vor allem Doppelverdiener fördern. Warum? Damit Frauen arbeiten gehen können, wenn sie das wollen, und die Kosten für die Kinderbetreuung absetzen können. Nun haben ARD-Reporter mal nachgerechnet und festgestellt: In bestimmten Fällen sind Alleinverdiener noch immer besser gestellt, etwa, wenn sie die Kosten für die Kindertagesstätte und außerdem einen Babysitter von der Steuer absetzen, denn das soll nach dem neuen Gesetz gehen. Die Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Bundestag ist Kerstin Griese von der SPD. Frau Griese, das war ja nicht was sie wollten?

Griese: Das kann man noch nicht genau sagen. Wir haben erstmal ein ganz wichtiges Ziel erreicht bei diesem Kompromiss zur Förderung der Familien. Nämlich, dass tatsächlich für alle Kinder von null bis 14 Jahren die Betreuungskosten von der Steuer absetzbar sind. Für uns als SPD war es ganz wichtig, das auf die berufstätigen Eltern zu konzentrieren. Es war ein Zugeständnis an die CSU, auch eine Regelung für die Eltern zu schaffen, wo ein Elternteil zu Hause bleibt: nämlich für die drei- bis sechsjährigen Kinder. Was jetzt tagesaktuell diskutiert wird, ist die Frage, ob man da wirklich so viele Familien hat, bei denen ein Elternteil zu Hause bleibt, Kindergartengebühren anfallen und noch eine Kinderfrau beschäftigt wird. Ich glaube, das sind so seltene Fälle, dass sie fast gar nicht vorkommen. Für die Mehrheit der Familien ist es wichtig, dass man berufstätig sein kann, und deshalb Kinderbetreuung von der Steuer absetzen kann.

Sie glauben das, dass diese Fälle selten sind. Aber die Rechercheure der ARD haben gesagt, einige dieser Fälle stammten direkt aus Beispielen des Ministeriums. Wie kann es sein, dass niemand nachrechnet, dass es dann zu Dingen Kommt, die die SPD eigentlich gar nicht wollte. Denn sie wollten ja auf jeden Fall, dass Frauen einen Anreiz haben, in den Beruf zu gehen und deshalb Alleinverdiener nicht gefördert werden.

Griese: Genau, dass war unsere Position als SPD. Wir wollten die Absetzbarkeit ab dem ersten Euro. Das haben wir geschafft. Man wird in Zukunft zwei Drittel der Kinderbetreuungskosten von der Steuer absetzen können bis zu einer Höhe von 4000 Euro. Das ist ein echter Fortschritt. Wir wollten, dass es für alle Kinder von null bis 14 Jahren gleich ist. Der erste Vorschlag der Ministerin von der Leyen war ja, für die kleineren Kinder weniger absetzbar zu machen. Das fanden wir genau verkehrt herum. In sofern sind wir mit der Lösung ganz zufrieden. Und der Teil, der die Familien betrifft, wo einer zu Hause bleibt, das war das Zugeständnis an die CSU, der es wichtig war, dass auch das unterstützt wird. Man muss jetzt genau nachgucken, wie das tatsächlich wirkt und was in welchem Steuertatbestand abgesetzt werden kann. Das wird sich im parlamentarischen Verfahren zeigen. Ich habe den genauen Gesetzestextentwurf natürlich noch nicht vorliegen, der wird jetzt erst erarbeitet. Und dann muss man sich das angucken.

Aber wenn die SPD ursprünglich strikt dagegen, war Alleinverdiener besser zu stellen, werden sie eventuell an diesem Gesetz noch etwas nachbessern müssen?

Griese: Wissen sie, wir sind ja eine Großen Koalition. Das heißt wir können nicht alles ganz allein durchsetzen als SPD. Für uns waren die wichtigsten Punkte, dass die Alleinerziehenden nicht benachteiligt werden. Für uns war es wichtig, dass auch Geringverdiener von der Lösung profitieren. Und für uns war es wichtig, dass die beruftätigen Eltern tatsächlich ihre Kinderbetreuungskosten von der Steuer absetzen können. Und da haben wir einen großen Erfolg erreicht. Das war der weitaus größte Teil dieses Kompromisses. Deshalb bin ich damit zufrieden. Den anderen Teil – verspreche ich Ihnen – gucke ich mit noch einmal genauer an. Aber man muss sehen, dass es zwischen der Union und der SPD noch sehr unterschiedliche Vorstellungen gibt, welche Rollen Frauen und Männer haben. Es gibt in der Union noch weite Teile, denen es wichtig ist, dass auch das Zuhausebleiben finanziell unterstützt wird. Ich persönlich bin der Ansicht, dass das durch das Ehegattensplitting schon sehr deutlich passiert. Die Familien, in denen ein Elternteil zu Hause bleibt, werden durch das Ehegattensplitting vom Staat finanziell unterstützt, und das ist weitaus mehr, als man durch die Absetzbarkeit der Betreuungskosten erreichen kann.

In bestimmten Fällen profitieren Alleinverdiener von der neuen Familienförderung mehr als Doppelverdiener, allerdings nur in wenigen Fällen, sagt Kerstin Griese, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf WDR 2.

WDR 2 Mittagsmagazin

3.2.05

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