Berlin

Situation der religiösen Minderheiten in der Türkei

Kerstin Griese fordert Reformen für eine echte Religionsfreiheit

Die SPD-Kirchenbeauftragte Kerstin Griese und Ali Bardakoğlu, Präsident des Amtes für religiöse Angelegenheiten (DİTİB). (Foto: Oole/privat)

„Die Lage der Christinnen und Christen sowie der anderen religiösen Minderheiten in der Türkei bleibt weiterhin verbesserungswürdig“, stellte Kerstin Griese nach einer Türkeireise fest. Die SPD-Kirchenbeauftragte war gemeinsam mit dem katholischen Prälaten Karl Jüsten und seinem evangelischen Kollegen Stephan Reimers sowie weiteren Abgeordneten anlässlich des Paulusjahres zu einer „Pilgerfahrt“ aufgebrochen. Die Türkei sei deutlich bemüht, europäische Standards zur Religionsfreiheit einzuführen. „Trotz einiger Reformschritte haben sich jedoch die rechtliche Stellung der nicht-muslimischen Minderheiten und die Situation der nicht-muslimischen Mitglieder von Religionsgemeinschaften in der Türkei noch nicht genügend weiter entwickelt“, meinte Kerstin Griese. „Das betrifft auch die Eigentumsverhältnisse, Kirchenbau, Religionsunterricht, Arbeitsgenehmigungen und Ausbildungsmöglichkeiten.“ Sie hofft, dass die Aufmerksamkeit durch das Paulusjahr die positiven Signale, die sie von Seiten der türkischen Gesprächspartner vernommen haben, verstärken werde.

Die Lage der vielen aus dem Irak geflohenen Gläubigen sei weiterhin sehr misslich und bedarf einer schnellen Lösung auf Bundes- und EU-Ebene, erklärte Griese nach einem Gespräch mit dem chaldäisch-katholischen Patriarchalvikar François Yakan und dem Besuch eines Gottesdienstes mit irakischen Flüchtlingen. Beim Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. stand die schwierige Situation der orthodoxen Christen im Mittelpunkt. Seit der 1971 durch die türkischen Behörden erfolgten Schließung des Priesterseminars auf der Insel Halki bei Istanbul kann kein Nachwuchs mehr in der Türkei ausgebildet werden. „Wir setzen uns nachdrücklich für die Wiedereröffnung des Priesterseminars ein“, betonte Kerstin Griese. Sie traf sich auch mit Erzbischof Aram Ateşyan vom armenisch-apostolischen Patriarchat Istanbul und sprach mit über die Lage der armenischen Christen. Bei einem Besuch der evangelischen Gemeinde deutscher Sprache und einem Gespräch mit dem EKD-Auslandspfarrer Holger Nollmann konnte sie sich über die Situation der deutschen evangelischen Christen, die hauptsächlich in Istanbul und Ankara leben und dort ihre Gottesdienste feiern, informieren.

Zusammen mit dem katholischen Bischof Luigi Padovese besuchte Kerstin Griese die Paulus-Grotte in Antakya und die heute offiziell als Museum zugängliche Pauluskirche in Tarsus. Die christlichen Stätten des bekannten Völkerapostels erleben durch das von Papst Benedikt XVI. ausgerufene Paulusjahr zurzeit größere Beachtung. Griese forderte, dass auch nach dem Paulusjahr die Kirche weiterhin frei zugänglich ist und dass in Tarsos eine Pilgerstätte errichtet werden kann.

In Ankara gab es ein Treffen mit Ali Bardakoğlu, dem Präsidenten des Amtes für religiöse Angelegenheiten (DİTİB). Thema des Gesprächs war die Situation der religiösen Minderheiten in der Türkei. Dass die nach Deutschland entsendeten Imame seit einigen Jahren einen Deutschkurs und landeskundliche Informationen zur Vorbereitung erhalten, begrüßte Kerstin Griese. Bardakoğlu stellte der Delegation ein neues Religionskundebuch vor, in dem auch die religiösen Minderheiten berücksichtigt würden.

Im Gespräch mit der Alevi-Bektaşi-Föderation, die die 15 bis 20 Millionen Aleviten in der Türkei vertritt, wurde deutlich, dass diese Gruppe besondere Schwierigkeiten hat, ihre Religion auszuüben und öffentlich zu machen. „Wir erkennen die Bemühungen der Türkei auf ihrem Weg in die Europäische Union an, die Religionsfreiheit zu verbessern, sehen aber weiteren Reformbedarf, damit tatsächliche Religionsfreiheit herrscht“, so Kerstin Griese. „Christliche Kirchen in der Türkei haben nicht nur eine jahrhundertelange Geschichte, sie brauchen auch eine gute Zukunft in der Türkei.“

Prälat Stephan Reimers und Prälat Karl Jüsten im Gespräch Aram Ateşyan vom armenisch-apostolischen Patriarchat.

14.9.08

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