Berlin

„Das Brett- und Kartenspiel ist wichtiger denn je“

Kerstin Griese im Interview mit dem Branchenmagazin Toys

Frau Griese, wann und was haben Sie zum letzten Mal gespielt?

Als ich noch bei den Jusos aktiv war, habe ich regelmäßig gespielt. Wir haben dort in einem Spielekreis aktuelle Neuheiten gespielt. Mein Lieblingsspiel waren die „Siedler von Catan“. Ein besonders beliebter Klassiker war bei uns auch „Tabu“. Ich hatte sogar mal an einer Geschenk-Sonderausgabe „Juso-Tabu“ mitgearbeitet, bei der wir Prominente aus vielen Jahren Juso-Geschichte mit passenden fünf Tabu-Wörtern auf die Karten gedruckt haben. Auflage: ein Exemplar. Das haben Freunde von mir an meinem letzten runden Geburtstag noch einmal hervorgekramt. Seit ich im Bundestag bin, reicht meine Zeit ansonsten bestenfalls noch für eine Partie „Skat“ – leider.

Was lernen Sie beim Spiel über sich – und über ihre Mitspieler?

Je nach Spiel eine ganz Menge: Kooperationsfähigkeit, Verhandlungsgeschick, taktische Klugheit, sprachliche Kreativität, Humor und vieles mehr.

Es heißt ja gemeinhin, man spiele, um zu gewinnen. Steckt in diesem „gewinnen“ also mehr als nur ein vordergründiges „das Spiel gewinnen wollen“?

Damit die Spiele funktionieren, muss man gewinnen wollen. Und damit man noch mal mitspielen darf, muss man genauso gut verlieren können. Trotzdem bleibt der Gewinn: mit intelligenter Unterhaltung im Freundeskreis an einem Tisch vereint zu sein. Welche Freizeitbeschäftigung kann das sonst in dieser Form bieten?

Liegt hierin auch die besondere gesellschaftliche und soziokulturelle Relevanz, die das klassische Brett- und Kartenspiel besitzt? Oder anders gefragt: Verdienen nicht gerade diese Spiele, bei denen sich Menschen Auge in Auge gegenüber sitzen, bei denen Interaktion und Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlichster sozialer Schichten und Generationen gefördert und in vielen  Fällen sogar erst wieder belebt werden, die besondere Förderung staatlicher Gremien aus den Bereichen Kultur und Familie?

Selbstverständlich. Anfangs war es ja auch so. In den ersten Jahren hatte die damalige SPD-Familienministerin Antje Huber den Preis „Spiel des Jahres“ noch aktiv unterstützt. Irgendwann ist das dann eingeschlafen. Richtig ist: das muss sich ändern. Das Brett- und Kartenspiel ist für die Gesellschaft wichtiger denn je. Das muss auch die Politik erkennen.

Wie kann es dann sein, dass im Bundeshaushalt zwar Mittel in Höhe von derzeit 300.000 Euro zur Förderung der Computerspielkultur ausgewiesen werden, klassische Gesellschaftsspiele aber leer ausgehen? Hat hier jemand vielleicht nicht laut genug „Hier!“ gerufen?

Das ist richtig. Bisher hatten sich die Brettspielerinnen und -spieler bei der Politik nicht zur Wort gemeldet. Die Lobby der Computerspielentwickler und -vertreiber hat dagegen durchaus Einfluss und hat viele Jahre mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass sie einen beträchtlichen Wirtschaftsfaktor darstellt.

In einem Artikel, der Ende Mai in der „Berliner Republik“ veröffentlicht wurde, weisen Sie darauf hin, dass die staatliche Förderung von „guten“ Computerspielen teilweise als Reaktion auf die Gefahr zu sehen ist, die von vielen brutalen, gefühlsverrohenden PC-Spielen ausgeht? Anscheinend ist in diesem Zusammenhang niemand auf die Idee, dass man solchen virtuell aufbereiteten Spiel-Perversionen vor allem durch eine Förderung jener Spiele begegnen könnte, bei denen sich die Spieler, oder wenn man so will „die Gegner“, leibhaftig gegenüber sitzen? – Findet nicht hier in geradezu idealer Weise eine positive soziale Kontrolle spielerischer Phantasien statt?

Sehr richtig. Auf der einen Seite ist es gut, auch bessere Computerspiele zu fördern. Denn eine Verbotsstrategie allein führt in der Auseinandersetzung mit gewalthaltigen Computerspielen sicher nicht zum Erfolg, sondern es geht um positives Herangehen, um Aufklärung und um Alternativen. Doch die Alternativen liegen eben auch darin, gelegentlich mal den Computer auszuschalten und Freundinnen und Freunde an einen Tisch zu holen.

Wo sehen Sie Ansätze, zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit dem Verein „Spiel des Jahres“, dem gesellschaftlichen Wert, den das spielerische Miteinander zweifellos besitzt, künftig auch auf politischer Ebene größere Anerkennung zu verschaffen?

Ich habe jetzt ein erstes Gespräch mit dem Vorstand des Vereins „Spiel des Jahres“ geführt und wir haben große Übereinstimmungen festgestellt. Wir haben uns vorgenommen, diese Gesprächsbasis zu verbreitern und weitere Spielinteressierte im politischen Berlin zu finden. Der Verein ist dabei auf einem guten Weg, und ich habe zugesagt, ihn dabei zu unterstützen.

Interview: Fritz Gruber

Spiel-des-Jahres-Sprecher Bernhard Löhlein, Kerstin Griese und Wieland Herold, Koordinator der Kinderspiel-Jury.

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21.8.09

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