Berlin

Auf die Kleinsten kommt es an

Gastbeitrag von Kerstin Griese in der Rheinischen Post

Wir brauchen eine wirklich grundlegende Bildungsexpansion von unten und nach vorne – nämlich im Elementarbereich, beim vorschulischen Lernen. Der Bildungsaufbruch der siebziger Jahre hatte in der zweiten Hälfte der Schullaufbahn angesetzt. Selbst von den sozialen Brennpunkten der Großstädte sind Gymnasien oder Gesamtschulen, in denen man Abitur machen kann, räumlich problemlos erreichbar. Doch die meisten kommen dort trotzdem nicht an.

Die Bildungsreformen sind irgendwann stecken geblieben. Wer ohne ausreichende Sprachkenntnisse in die Schule kommt, für den stellt sich die Frage nach dem Abitur überhaupt nicht. Vielen Kindern, und nicht nur denen aus Einwandererfamilien, fehlen die Startchancen, die ihnen vom Elternhaus nicht mitgegeben wurden.

Bildung von Anfang an ­ das ist der entscheidende Punkt. Darum unterstützen wir den Ausbau von Kindergärten auch für Unter-Dreijährige. Kinder lernen spielerisch und sind neugierig auf Bildungsinhalte, zeigen die Erfahrungen aus den europäischen Nachbarländern. In Deutschland dagegen trifft man manchmal noch auf eine Kultur des Überbehütens und die Angst vor „Überforderung“.

Bildung und Erziehung gehören zusammen. Das gilt sowohl für den Kindergarten als auch die Schule. Für eine kindgerechte Schule braucht man Zeit. Da reicht es nicht, die Kinder um kurz nach halb zwölf wieder nach Hause zu schicken – oft genug zu Fast Food, Gameboy und TV.

Ich meine, mit dem Vier-Milliarden-Programm der Bundesregierung werden wichtige Schritte zum Aufbau von Ganztagsschulen getan, und NRW nimmt dabei mit dem Konzept der „Offenen Ganztagsgrundschulen“ einen Spitzenplatz ein. Künftig werden auch die Lehrerinnen und Lehrer die Chance ergreifen müssen, die eine ganztägige Schule bietet. Wer Bildung und Erziehung als eine Einheit sieht, wird mehr Zeit mit den Kindern verbringen, und sie auch außerhalb des Unterrichts kennen lernen – ob beim Mittagessen oder Freizeitaktivitäten in einer AG.

Die Kinder ganzer Stadtteile stecken in einem Teufelskreis aus Armut, Werteverfall und Chancenlosigkeit. Unsere Zukunft hängt mit davon ab, ob wir ihnen mit einer zweiten Bildungsreform eine Perspektive eröffnen können.

Berliner Republik: Auf die Kleinsten kommt es an

21.3.05

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