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„Bruch mit Uralt-Tabus“

Stefan Reker bespricht in der Rheinischen Post das Buch „Die neue SPD“

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Es tue sich was in der SPD, stellt Stefan Reker, Berliner Redaktionsleiter der Rheinischen Post, fest. „Hinter den Rauchwolken der aktuellen sozialdemokratischen Misere mit Wahldesastern und Flügelkämpfen um die Regierungspolitik macht sich eine neue Generation von SPD-Politikern auf den Weg.“ Neben den zerfurchten Gesichtern der Wahlverlierer gebe es in der Sozialdemokratie auch neue Profile.

Eine Gruppe von 21 jüngeren Bundestagsabgeordneten habe ihre programmatischen Vorstellungen für „Die neue SPD“ jetzt unter dem Titel „Die neue SPD“ in Buchform gebracht. „Zusammen mit 15 Wissenschaftlern beleuchten sie in Einzelbeiträgen nahezu alle Felder der Politik und markieren ihre Kurs-Koordinaten. Wer wissen möchte, wie führende Köpfe der SPD von morgen aussehen – und vor allem, was politisch-programmatisch in diesen Köpfen vorgeht, dem bietet das Buch einen guten Überblick.“

Das Buch schwanke zwischen Allgemeinplätzen und „stringenten Lageanalysen, die auch den Bruch mit sozialdemokratischen Uralt-Tabus nicht scheuen“, lesen wir in der Rheinischen Post. Stefan Reker hebt besonders den Beitrag von Kerstin Griese hervor, den sie zusammen mit dem Abgeordnetenkollegen Rolf Stöckel geschrieben hat. In einem lesenswerten Beitrag knöpften sie sich die alten Lebenslügen der Sozialpolitik vor – unter der Überschrift: Ein „Mehr“ desselben führt zu nichts. Er schreibt weiter:

Einige Kostproben: „Eine Botschaft in der Debatte über ,soziale Gerechtigkeit‘ und ,Sozialabbau‘ ist besonders fatal: Es wird der Eindruck vermittelt, mit dem Sozialstaat der 70er und 80er Jahre sei alles in Ordnung gewesen, wir hätten jetzt nur weniger Geld und es müsse nur der Aufschwung kommen. Dann würde alles wieder gut. Wir sagen aber, was Tatsache ist: Unser Sozialstaat, für viele das Erfolgsmodell der alten Nachkriegs-Bundesrepublik, wird seinen Aufgaben immer weniger gerecht und hat die Grenzen der Finanzierbarkeit längst überschritten.“ Ein Staat, der 114 Milliarden Euro allein für Schuldzinsen und Steuerzuschüsse zu den Renten und nur zwölf Milliarden Euro für Forschungs- und Bildungsinvestitionen ausgebe, der sei „für die jüngeren Generationen nicht mehr akzeptabel“.

Die Analyse der Autoren: Der deutsche Versorgungsstaat erzeuge schon seit Jahren Fehlentwicklungen. Armut und Arbeitslosigkeit würden mehr verwaltet als bekämpft, die bisherige Konzentration auf möglichst hohe Geldleistungen für Sozialfälle mindere die Motivation von Betroffenen zur Selbsthilfe. Daher könne Sozialpolitik nicht länger nur daran gemessen werden, wie hoch die Transferzahlungen seien. Noch immer belohne das deutsche Sozialsystem den Abbau von Arbeitsplätzen mit einer Art Prämie, nämlich mit der Entlastung von Lohnnebenkosten, die ein Betrieb nach Entlassungen einspare.

Der Gegenvorschlag der beiden SPD-Abgeordneten: Umstieg von einem abgabenfinanzierten auf ein steuerfinanziertes Sozialsystem – mit einer bedarfsabhängigen Grundsicherung als Basis. „Sozialpolitik nicht als primär karitative Aufgabe, sondern als Bestandteil der Wirtschaftspolitik zu sehen, hat durchaus einen Arbeitsplatz schaffenden Effekt.“

Der Sozialstaat alter Prägung sei auf die Alternativen „Sozialleistung“ oder „Normalarbeitsverhältnis“ ausgerichtet. Ein allmählicher Einstieg in die Erwerbsarbeit sei diesem System wesensfremd. Der Vorschlag der beiden Autoren: Sozialleistungen müssen schrittweise mit Erwerbseinkommen kombinierbar sein, um sowohl den Einstieg in einen Job als auch den Verbleib in einer Erwerbstätigkeit zu belohnen.

Sammelband „Die neue SPD“
Programmimpuls „Menschen stärken – Wege öffnen“

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Rheinische Post

15.6.04

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