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Menschen stärken, Wege öffnen. Erklärung zum neuen SPD-Grundsatzprogramm

Bundesweites Treffen des Netzwerks Berlin

Unsere Gesellschaft und die Welt verändern sich. Chancen und Perspektiven liegen vor uns, aber auch Risiken und Herausforderungen tun sich auf – für heutige und künftige Generationen. Wir leben heute in einer neuen Welt – politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. In dieser Zeit gibt sich die SPD ein neues Grundsatzprogramm.

Mit dem „Bremer Entwurf“ ist ein programmatisches Fundament für die Erneuerung der SPD als Repräsentantin einer modernen, europäischen Sozialdemokratie gelegt. Unsere Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität sind von ungebrochener Aktualität. In der Tradition des Demokratischen Sozialismus und mit der Sozialen Demokratie als konkretem politischem Ziel wollen wir die Welt, in der wir leben, gestalten:

Mit dem Grundprinzip des Vorsorgenden Sozialstaates besitzt die SPD ein zukunftstaugliches und überzeugendes Leitbild für die kommenden Jahrzehnte. Dazu bekennen wir uns. Diesen Weg wollen wir konsequent gehen. Unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts bietet der „reparierende“ und der allein nachsorgende Sozialstaat keine sozialdemokratische Perspektive, denn er wird den Herausforderungen nicht mehr gerecht. Wir haben keinen Grund, nostalgisch an ihm festzuhalten. Die Qualität moderner Sozialstaatlichkeit bemisst sich nicht an der Höhe der umverteilten Transferleistungen. Die Menschen zu stärken und ihnen neue Wege zu selbst verantwortetem Leben zu eröffnen, muss nach unserer Überzeugung die Messlatte für den Erfolg sozialdemokratischer Politik sein. Dabei setzen wir auf Subsidiarität und Prävention, um bereits heute durch die Förderung gesunden Verhaltens und gesund erhaltender Verhältnisse mögliche Probleme der Zukunft zu vermeiden.

Bildung ist ein zentraler Baustein einer vorsorgenden Politik. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Erfolg nicht mehr von der Herkunft des Einzelnen abhängt, sondern in der Leistung Aufstieg ermöglicht. Deshalb braucht Deutschland eine neue Bildungsrevolution. Bildung ist auch Selbstzweck und fördert die individuellen Möglichkeiten. Aber die Fähigkeit und Notwendigkeit zum ständigen Lernen ist in unserer wissensbasierten Gesellschaft zur unabdingbaren Notwendigkeit geworden. Nur auf einem insgesamt höheren Bildungspfad wird Deutschland auch wieder ein höheres wirtschaftliches Wachstum, mehr Beschäftigung und damit auch mehr soziale Gerechtigkeit erreichen. Dazu gehört auch verbesserte Weiterbildung für alle.

Aber heute kommt es mehr als je zuvor vor allem auf den Anfang an. Bildungschancen für alle und von Anfang an sind das zentrale sozialdemokratische Thema im 21. Jahrhundert. Wir dürfen niemanden zurück lassen. Deshalb wollen wir mehr investieren in die frühe Förderung von Kindern, die Qualität der frühkindlichen Bildung verbessern und durch einen Ausbau von Bildung und Betreuung endlich echte Wahlfreiheit für Eltern schaffen, um Kinder und Beruf vereinbaren zu können. Das ist für uns eine moderne Familienpolitik, die nicht an alten Ideologien und Feindbildern hängt, sondern Menschen Wege öffnet, ihr Leben selbst bestimmt zu gestalten und Deutschland kinderfreundlicher macht. Das ist für uns auch eine moderne Gleichstellungspolitik. Denn wer die menschliche Gesellschaft will, wer ein Leben in Partnerschaft will, muss die Gleichstellung von Frau und Mann hier und heute verwirklichen.

Wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit bedingen einander, diese Idee leitet die progressive europäische Sozialdemokratie. Unter den veränderten Bedingungen des 21. Jahrhunderts müssen wir das sozialdemokratische Prinzip: „So viel Markt wie möglich, so viel Staat wie nötig“ zeitgemäß erneuern. Deutschland befindet sich im Umbruch von der Industrie zur wissensbasierten Dienstleistungsgesellschaft. Diesen Wandel kann Deutschland im globalen Wettbewerb nur mit einer hohen Innovationsdynamik meistern, besonders im Hightech- und Dienstleistungssektor, wo viele Arbeitsplätze entstehen. Aber auch der Industriesektor wird weiterhin einen breiten Sockel unserer Wirtschaftskraft bilden. Für gute Standortbedingungen spielen Investitionen in Forschung und Entwicklung eine herausragende Rolle. Wir profitieren von der Globalisierung wie kaum ein anderes Land der Welt, denn sie eröffnet der deutschen Wirtschaft neue Märkte. Gleichzeitig müssen wir an der Setzung weltweiter Standards und Regeln mitwirken, um dauerhaft fairen Wettbewerb zu sichern. Wir brauchen ein modernes wirtschaftspolitisches Konzept, das marktwirtschaftliche Freiheit und sozialen Ausgleich verbindet. Die soziale Marktwirtschaft ist geeignet, die unternehmerische Freiheit des Einzelnen, fairen Wettbewerb, Verantwortungsbewusstsein und Leistungswillen zu vereinen. Wir stehen zur bewährten Mitbestimmung und Teilhabe am unternehmerischen Erfolg, die auch im Ausland als deutsches Erfolgsmodell anerkannt werden. Wir wollen eine Politik der neuen Wertschöpfung, die qualitatives Wachstum und Arbeit schafft.

Wir wollen gute Arbeit und Existenz sicherndes Einkommen für alle. Viele Menschen in Deutschland arbeiten zwar Vollzeit, leben aber dennoch am Existenzminimum. Niedrige Löhne werden besonders häufig für Tätigkeiten gezahlt, bei denen kaum Chancen auf Rationalisierung bestehen und die eine geringe Produktivität aufweisen. Dies wollen wir nicht länger hinnehmen. Arbeitende Menschen müssen in unserem Land ein Existenz sicherndes Einkommen haben. Über die ökonomische Dimension hinaus hat Erwerbsarbeit eine zentrale Integrationsfunktion in unserer Gesellschaft. Auch deshalb brauchen wir in Deutschland – wie in anderen europäischen Ländern auch – als ersten Schritt einen Mindestlohn. Ein Existenz sicherndes Einkommen wollen wir mit einem „Bonus für Arbeit“ als Sozialversicherungszuschuss für Beschäftigte im Niedriglohnbereich schaffen. Das ist eine wichtige Maßnahme zur Bekämpfung und Vermeidung von Armut.

Wir wollen unseren Wohlstand nicht auf Kosten anderer Regionen der Erde und nicht auf Kosten künftiger Generationen organisieren. Wir wollen nur von den Zinsen unserer Erde leben und nicht ihre Substanz verbrauchen. Das ist die Idee der nachhaltigen Entwicklung. Die größte Herausforderung, vor der wir stehen, ist der Klimawandel. Mit einer ökologischen Industriepolitik wollen wir in Deutschland Vorreiter beim Klimaschutz bleiben und konsequent innerhalb weniger Jahrzehnte auf erneuerbare Energien umstellen. Dabei ist Nachhaltigkeit weit mehr als Ökologie. Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit und eine neue Balance zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen. Dazu gehört die Wiederentdeckung der Idee des technischen Fortschritts. Nicht als Rückfall in die blinde technische Fortschrittsgläubigkeit früherer Jahre, sondern als offensives Instrument zur Mobilisierung der gesellschaftlichen Kraft, die wir zur Lösung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts brauchen. Nachhaltigkeit bedeutet auch, unsere Haushalte so zu entschulden, dass die nachfolgenden Generationen noch Handlungsspielräume haben. Nachhaltigkeit bedeutet weiter, unser Gesundheitssystem über die Vermeidung von Krankheiten zu definieren und nicht wie heute ausschließlich über die Behandlung eingetretener Erkrankungen. Gerechtigkeit zwischen den Generationen bedeutet für uns mehr als Zahlungsbilanzen – sie bedeutet die gemeinschaftliche Anstrengung aller Altersgruppen eigenverantwortlich zukunftsgerecht zu wirtschaften und zu leben. Nachhaltigkeit ist nicht nur wünschenswert, sondern eine Notwendigkeit für das Überleben der Menschheit. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität auch morgen noch gelebt werden können.

Auch im 21. Jahrhundert bleibt der wurzellose Weltbürger eine lebensfremde Fiktion. Die Menschen suchen nach Halt und Orientierung. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind überzeugt: Familien, Arbeitsplatz und Lebensumfeld, die Orte der Zugehörigkeit in den Städten, Gemeinden und Regionen, sind die zentralen Erfahrungsorte, die Menschen zusammenführen und mit denen sie sich identifizieren. Sie sind Heimat im besten Sinne. Wir wollen ihre Integrationskraft stärken. Dazu braucht es die aktive, freiwillige und verantwortliche Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger. Aber gemeinschaftliches Handeln entsteht nicht von selbst. Die Chancen des sozialen Zusammenhalts müssen organisiert werden. Wir wollen Freiräume schaffen, in den selbst bestimmtes, selbst organisiertes und eigenverantwortliches Handeln in allen Generationen gelernt und gestärkt wird. Wir wollen die aktive Bürgergesellschaft. Eine freiheitliche Gesellschaft setzt auf das zivilgesellschaftliche Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger. Verbunden mit diesem Ziel werden wir die allgemeine Wehrpflicht abschaffen und den Weg in eine Armee von Berufsund Zeitsoldaten beschreiten. Gleichzeitig werden wir den Ausbau von Freiwilligendiensten in sozialen, ökologischen und weiteren Bereichen stärken, um jedem jungen Menschen, Mädchen wie Jungen, die Chance zu geben, soziales Engagement zu erlernen

Wir wollen, die Vereinigten Staaten von Europa. Nur in einem friedlichen und sozialen Europa wird es uns gelingen, die Herausforderungen einer globalisierten Welt gerecht zu gestalten. Um allen Mitgliedsländern zu ermöglichen, ihren Wohlstand zu erhöhen, wollen wir einen Sozialen Stabilitätspakt und die Weiterentwicklung des Europäischen Sozialmodells. Wir richten den Blick nach vorn

Mit den Prinzipien der Vorsorge und Nachhaltigkeit muss sich die Sozialdemokratie in ihrem Grundsatzprogramm durchgängig zur Verantwortung für die Zukunft bekennen. Um das Ziel der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen, brauchen wir einen Zukunftspakt der Gesellschaft. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen der politische Motor eines solchen Pakts sein.

Mit unserem neuen Grundsatzprogramm erkennen wir nicht nur die Realitäten an. Wir finden uns mit den herrschenden Verhältnissen nicht ab. Wir überlassen das Beharren und Lamentieren, den Egoismus und den Populismus den anderen. Wir wollen kämpfen und anpacken und die Welt im 21. Jahrhundert, unsere Zukunft, gestalten. Dabei wollen wir alle Menschen mitnehmen und motivieren, sich zu den Zielen de Sozialdemokratie zu bekennen. Wir sprechen besonders die junge Generation an, die alle Chancen auf eine lebenswerte Zukunft haben soll und gleichzeitig auch die Probleme lösen muss, die ihr hinterlassen werden. Wir fordern gerade junge Menschen auf: Engagiert euch in und mit der Sozialdemokratie!

Wir nehmen die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts an. Wir richten den Blick nach vorn. Wir sind die neue SPD.

Netzwerk Berlin

26.3.07

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