Berlin

„Berufstätigkeit wird belohnt“

Kerstin Griese erläutert im Gespräch mit der NRZ die erwarteten Folgen des Elterngeldes

Frau Griese, am 1. Januar 2007 löst das Elterngeld das Erziehungsgeld ab. Erleben wir dann einen Babyboom?

Griese: Eine politische Maßnahme alleine reicht dafür sicher nicht aus, wir brauchen vielmehr einen Dreiklang: Bessere finanzielle Leistungen für Familien, den Ausbau der Kinderbetreuung und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Da sind auch die Arbeitgeber in der Pflicht.

Das Elterngeld wird maximal 14 Monate gezahlt. Wie wollen Sie junge Familien danach unterstützen?

Griese: Seit 2005 verbessert sich langsam die Betreuungssituation von Kindern unter drei Jahren. Vorher hatten wir in Westdeutschland nur für vier Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungsplatz, jetzt sind wir bei etwa zehn Prozent - aber wir brauchen noch mehr. Die Koalition hat vereinbart, dass wir einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr einführen wollen, wenn der Ausbau der Betreuung bis 2008 nicht zügig vorangeht. Für mich ist das der am meisten unterschätzte Satz im Koalitionsvertrag.

Warum glauben Sie, dass sich Deutschlands junge Väter bald mehr um ihre Kinder kümmern wollen?

Griese: Laut einer aktuellen Studie können sich drei von vier Männern vorstellen, in Elternzeit zu gehen, bisher sind es weniger als fünf Prozent. Leider haben viele Angst vor beruflichen Nachteilen.

Wie wird die Wirtschaft Ihrer Ansicht nach darauf reagieren, dass Mitarbeiter für Monate in die Elternzeit gehen?

Griese: Laut Umfragen begrüßen zwei Drittel der Unternehmen das Elterngeld. Und sie werden in den nächsten Jahren erleben, dass Mitarbeiter, die Familie und Beruf unter einen Hut bekommen, zufriedene Mitarbeiter sind. Ich glaube, dass wir einen Boom an unterstützenden Maßnahmen in der Wirtschaft erleben werden, von Betriebskindergärten bis zu mehr zeitlicher Flexibilität.

Das Elterngeld wird maximal 14 Monate lang gezahlt, Geringverdiener und Arbeitslosengeld-II-Empfänger erhielten bis zu zwei Jahre Erziehungsgeld. Eine Benachteiligung?

Griese: Alg-II-Empfänger erhalten den Sockelbetrag von 300 Euro, der nicht auf ihre Leistungen angerechnet wird. Wer weniger als 1000 Euro im Monat verdient, bekommt außerdem mehr als 67 Prozent seines Einkommens ausgezahlt. Insgesamt werden zwei Drittel des Elterngeldes an Mütter oder Väter mit einem Einkommen unterhalb von 1200 Euro ausgezahlt werden. Es unterstützt also vor allem die Mitte und die Geringverdiener. Berufstätigkeit wird belohnt – das halte ich für sozial gerecht.

Die Fragen stellte Joachim Bäumer, Mitarbeiter der NRZ (Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung).

NRZ

30.9.06

Home