Berlin | Kirche

„Familie haben alle“

Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber setzt sich für eine nachhaltige Familienpolitik ein

Kerstin Griese, SPD-Kirchenbeauftragte, begrüßt die familienpolitische Grundsatzrede des EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber. „Seine einleitende Aussage ,Familie haben alle‘ bezieht alle Menschen mit ein und vermeidet Frontstellungen zwischen vermeintlich unverantwortlichen Kinderlosen und den Familien mit Kindern“, sagt Griese. Es gehe darum, Verantwortung zu übernehmen, gerade auch im Familienverband. „Dabei kann man für pflegedürftige Angehörige genauso da sein, wie für Patenkinder oder die eigenen Kinder.“

Die Familienausschussvorsitzende des Bundestages weist darauf hin, dass Bischof Huber sich für ein modernes Familienbild einsetze. „Die evangelische Kirche erkennt die Pluralität der heutigen Lebensformen an. Ein Zurück zum ,klischeehaften‘ Bild der heilen Familie lehnt sie ab, genauso hat sie sich aber auch immer gegen ,die abfällige Rede von der Familie als Auslaufmodell‘ gestellt.“ Unterstützenswert sei Hubers Forderung nach einem „allgemeinen Institutionen-TÜV“, der der Frage gelten solle, wie Sozialgesetze, Tarifverträge und staatliche Regelungen mit Familien umgehen.

Kerstin Griese, die selbst der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland angehört, stimmt Wolfgang Huber zu, wenn dieser betont, dass es um mehr als bloße „Betreuungsangebote“ gehe. „Bereits die Familienministerin Renate Schmidt hatte immer von einer Einheit aus Bildung, Betreuung und Erziehung gesprochen, und alle ihre politischen Initiativen hatten dies beherzigt.“ Es gehe längst nicht nur um einen quantitativen Ausbau der vorschulischen Angebote, sondern genauso um einen qualitativen.

„Wolfgang Hubers Hinweis, dass die Kindertagesstätte über die Bildungschancen von Kindern entscheidet, ist in den letzten Jahren endlich auch in der Politik parteiübergreifend zu einer breiten Überzeugung gewachsen.“ Kerstin Griese zitiert den EKD-Ratsvorsitzenden: „In den ersten drei Lebensjahren entscheidet sich, ob die erwachende Neugier von Kindern in ihrer Umwelt ein Echo findet, und ob sich für sie ein Raum öffnet, die Welt zu entdecken.“ Das sei der Grund, warum das bereits 2004 beschlossene Tagesbetreuungsausbaugesetz insbesondere eine bildungspolitische Chance sei. „Wir haben in der Koalition vereinbart, diesen Ansatz ungeschmälert weiterzuverfolgen und gegebenenfalls 2008 auch einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem zweiten Lebensjahr einzuführen. Als zweiten Schritt brauchen wir dann auch die Beitragsfreiheit der Kindergärten – und zwar aus bildungspolitischen Gründen, wie dies auch Bischof Huber betont.“

Es wäre ein „Zeichen von Weltfremdheit“, wenn wir die finanziellen Einschnitte, die mit der Geburt von Kindern verbunden sind, ignorierten, so Wolfgang Huber. „Genau deshalb wird die Koalition das Elterngeld einführen, das 10 bis 12 Monate lang diese Einschnitte erheblich abmildert“, unterstreicht die Ratinger Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese. Dabei werde es so ausgestaltet, dass es eine gerechte Lösung für die gibt, die nicht oder nur wenig erwerbstätig waren.

Dass sowohl für Mütter als auch für Väter zwei Elterngeld-Monate exklusiv reserviert sind, habe Huber als ein „Zeichen von Hilflosigkeit“ bezeichnet. „Ich hingegen meine, es ist ein sehr deutliches Zeichen von Staat und Gesellschaft, dass auch Männer ein verbrieftes Recht auf die Elternzeit haben“, so Griese. „Die Verantwortung der Männer ist gefragt“, habe Bischof Huber zu Recht eine der zentralen Passagen seiner Rede in der Friedrichstadtkirche überschrieben. „Und fügt dem an, dass der Freiheitsgewinn, den sich Frauen erkämpft haben, nicht wieder zur Disposition gestellt werden dürfe. Damit hat er den wichtigen Zusammenhang zwischen Gleichstellungs- und Familienpolitik hergestellt.“

Frankfurter Allgemeine (FAZ): Kindvergessen

EKD: Kinder sind ein Glück

30.3.06

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