Berlin | Kirche

Gute Nachbarschaft mit Muslimen

„Handreichung“ der Evangelischen Kirche

„Wir müssen sowohl auf die Unterschiede als auch auf die Gemeinsamkeiten zwischen evangelischen Überzeugungen und dem Islam hinweisen“, sagt Kerstin Griese, Kirchenbeauftragte der SPD-Fraktion. Die Evangelische Kirche in Deutschland wolle mit ihrer Handreichung für „Klarheit“ sorgen, denn nur auf solch einer Basis könne tatsächlich für ein tragfähiges Zusammenleben in Deutschland gesorgt werden.

Griese, die der EKD-Synode angehört, lobte die unter dem Vorsitz des ehemaligen Justizministers Jürgen Schmude erarbeitete Handreichung. „Die 128 Seiten starke Schrift ist eine außerordentlich hilfreiche Handreichung für alle, die sich in Politik und Gesellschaft für ein gutes Miteinander engagieren.“ Äußerst kenntnisreich würden ohne falsche Rücksichtnahmen die Gemeinsamkeit und Differenzen zwischen dem deutschen Protestantismus und der Vielfalt der Islamvorstellungen einer großen Minderheit unseres Landes geschildert und eingeordnet. „Dabei werden berechtigte Fragen an den Islam gestellt, unter anderem zu religiös motivierter Gewalt, zur Stellung der Frau, zur Religions- und Meinungsfreiheit und zum säkularen Rechtsstaat.“

„Entscheidend ist, dass religiöser Dialog zum Abbau von Vorurteilen und Ängsten beiträgt und somit einen Beitrag zum friedlichen Miteinander in der Gesellschaft bietet“, stimmt ihr die Islambeauftragte der SPD-Fraktion, Lale Akgün, zu. Wichtig sei, dass jeder Dialog auf Augenhöhe geführt werden kann und keine Seite auf einem Wahrheitsanspruch der eigenen Position beharrt.

Der Evangelischen Kirche sei viel daran gelegen, dass Christen und Muslime im Namen Gottes Frieden verkünden, so Kerstin Griese. „Es gibt eine Reihe von Berührungspunkten zwischen dem christlichen und muslimischen Glauben.“ Jesus werde als Prophet im Islam hoch verehrt, stellt die Handreichung fest. Die Entdeckung von Gemeinsamkeiten sei wertvoll, trotzdem gebe es viele Differenzen. „Deswegen können bei der Begegnung mit Muslimen kritische Fragen nicht vermieden werden. Während Christen von einer unteilbaren Würde des Menschen ausgehen, gebe es viele traditionelle muslimische Lebensregeln, die den Menschen ungleiche Rechte zusprechen.“ Die Evangelische Kirche sei sich bewusst, dass auch sie einen langen historischen Weg benötigte, sich kritisch mit ihrer eigenen Tradition auseinanderzusetzen.

„Nie wieder dürfen Menschen um ihren Glaubens – oder Unglaubens – willen Intoleranz, Zwang oder Gewalt ausgesetzt werden“, zitiert Griese die EKD-Handreichung. Das sei die Schlussfolgerung, die evangelische Christen in Deutschland aus ihren mit Schuld verbundenen Irrwegen der Vergangenheit gezogen haben. Entsprechend sollten sich auch andere Religionsgemeinschaften in die Pflicht nehmen. Uneinsichtigkeit ungerügt zu lassen, entspreche weder unserer Verfassung noch der christlichen Toleranz, heißt es in der Handreichung.

Lale Akgün und Kerstin Griese unterstützen die Forderung der EKD nach der Einführung eines deutschsprachigen islamischen Religionsunterrichtes. „Der Hinweis, dass es dazu eine legitime muslimische Vertretung geben muss, die keinerlei Zweifel an ihrer Treue zum deutschen Grundgesetz offen lässt, ist wichtig“, betont Griese. „Insgesamt benötigen die in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslime eine deutlich vernehmbare demokratische Stimme.“

EKD: „Handreichung“ zur guten Nachbarschaft

28.11.06

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