Berlin

Auf die Kleinsten kommt es an

Weshalb wir einen zweiten Bildungsaufbruch brauchen

Berliner Republik: „Auf die Kleinsten kommt es an“ (von Kerstin Griese und Harald Schrapers)

Die Familienausschussvorsitzende Kerstin Griese fordert in einem in der Berliner Republik erschienenen Aufsatz eine zweite Bildungsreform. „Wir brauchen eine wirklich grundlegende Bildungsexpansion von unten und nach vorne – nämlich im Elementarbereich, beim vorschulischen Lernen.“ Der Bildungsaufbruch der siebziger Jahre habe in der zweiten Hälfte der Schullaufbahn angesetzt. „Selbst von den sozialen Brennpunkten der Großstädte sind Gymnasien oder Gesamtschulen, in denen man Abitur machen kann, räumlich problemlos erreichbar. Doch die meisten kommen dort trotzdem nicht an“, stellt Griese fest. Die Bildungsreformen seien irgendwann „stecken geblieben“.

Wer ohne ausreichende Sprachkenntnisse in die Schule komme, für den stellt sich die Frage nach dem Abitur überhaupt nicht. Vielen Kindern, und nicht nur denen aus Einwandererfamilien, fehlten die Startchancen. „Bildung von Anfang an – das ist der entscheidende Punkt.“ Kinder lernen spielerisch und sind neugierig auf Bildungsinhalte, weiß Griese aus Erfahrungen in den europäischen Nachbarländern. „In Deutschland dagegen trifft man manchmal noch auf eine Kultur des Überbehütens und die Angst vor ,Überforderung‘“.

Die SPD–Politikerin fordert einen erheblichen Ausbau der vorschulischen Bildung. Nach britischem Vorbild empfiehlt sie gerade für die benachteiligten Stadtteile frühpädagogische Familienzentren, in denen Kinderbetreuung, vorschulische Bildung und Elternberatung unter einem Dach angeboten werden. „Eltern müssen als Fachleute in Fragen ihres Kindes anerkannt werden.“ Um diese Aufgabe auszufüllen, bräuchten sie oftmals Hilfestellung und müssen durch eine intensive Elternarbeit „fit für ihre Rolle gemacht werden“.

Bildung und Erziehung gehören zusammen, betont Kerstin Griese. Das gelte sowohl für den Kindergarten als auch die Schule. „Deswegen baut Rot-grün die Kindergärten bereits für die Unter-Dreijährigen aus.“ Und mit dem Vier-Milliarden-Programm der Bundesregierung sei ein wichtiger Schritt zum Aufbau von Ganztagsschulen getan worden. „NRW nimmt dabei mit dem Konzept der ,Offenen Ganztagsgrundschule‘ einen Spitzenplatz ein.“

Die Ratinger Bundestagsabgeordnete weist darauf hin, welche Chancen eine ganztägige Schule auch den Lehrerinnen und Lehrern bietet. „Wer Bildung und Erziehung als eine Einheit sieht, wird mehr Zeit mit den Kinder verbringen und sie auch außerhalb des Unterrichts kennen lernen – ob beim Mittagessen oder bei Freizeitaktivitäten in einer AG.“

Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung lese sich wie ein dringender Appell für eine zweite Bildungsreform. Denn Armut gehe über materielle Not weit hinaus. „Fehlende Schulbildung und Gesundheit, Suchtmittel, Erwerbslosigkeit“, zählt Griese auf. Für den Ausbruch aus diesem Milieu sei Bildung der Schlüsselbegriff. „Deshalb ist die zweite Bildungsreform das zentrale Projekt für die Zukunft unserer Gesellschaft“, heißt es in dem Aufsatz, den Kerstin Griese zusammen mit ihrem Mitarbeiter Harald Schrapers verfasst hat.

Berliner Republik

14.3.05

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