Berlin

Ist Deutschland ein Gottesstaat?

Wie hält es die SPD mit der Religion?

Berliner Republik: Ist Deutschland ein Gottesstaat?

Verwundert zeigt sich Kerstin Griese, Sprecherin des Arbeitskreises „Christinnen und Christen in der SPD“, über den Ruf nach mehr Laizismus, der in kleinen Teilen der Sozialdemokratie erschallte. „Noch auf dem Hamburger Parteitag im Jahr 2007 gab es keine einzige kritische Wortmeldung zu dem Passus im Grundsatzprogramm, mit dem sich die SPD deutlicher denn je zu den jüdisch-christlichen Wurzeln der SPD bekannte“, schrieb SPD-Vorstandsmitglied Kerstin Griese zusammen mit Harald Schrapers in einem Beitrag für das Debattenmagazin Berliner Republik. „Wir haben in Deutschland noch nicht einmal eine Staatskirche, wie sie etwa in Großbritannien, Skandinavien oder Griechenland existiert.“ Stattdessen gebe es ein bewähtes kooperatives Verhältnis von Staat und Kirche. „Die Kirchen sind ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens, obwohl die Mitgliederzahlen zurückgehen.“ Dennoch sei die Vermutung irrig, damit würde eine starke Bewegung von Konfessionslosen entstehen. „Denn welches gemeinsame Band soll in dieser Gruppe entstehen?“ fragen Griese und Schrapers.

Die beiden Autoren scheuen in ihrer Analyse nicht vor Kritik an der Praxis von Kirchen und ihren Einrichtungen zurück. „So haben die Missbrauchsskandale und die Vertuschungsversuche in der katholischen Kirche zum Beispiel zu einer großen Debatte geführt, in der sogar das Selbstverständnis der katholischen Kirche in Frage gestellt wird.“ Nicht zu übersehen seien die unterschiedlichen Vorstellungen in Bezug auf das Verhältnis von Staat und Kirche zwischen den beiden großen Kirchen. „Es irritiert mich tief, dass die römisch-katholische Kirche nicht nur eine Kirche ist, sondern auch ein Staat“, zitieren Griese und Schrapers den EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Scheider. „Die Kirche als staatliches Organ – das geht gegen unser Bekenntnis.“

Religionsfreiheit sei auch eine positive Freiheit, plädiert der Berliner-Republik-Aufsatz gegen die Idee, den Staat zum religionsfreien Raum zu machen und ihn „auf Laizismus, Konfessionslosigkeit, Humanismus, Atheismus oder Freidenker-Ideen festzulegen“. Kerstin Griese, Mitglied der EKD-Synode, und Harald Schrapers betonen: „Die entscheidende religionspolitische Diskussion führen wir in den kommenden Jahren mit Sicherheit nicht über den Laizismus, sondern darüber, wie wir den Islam in unser Gemeinwesen aufnehmen. Denn die Trennung zwischen dem Islam und unserem Staat, unserer Gesellschaft, hat sich als höchst problematisch erwiesen“, wenden sie sich gegen die vorherrschende Ausgrenzung des muslimischen Glaubens. „Nein, für ein besseres Verhältnis zwischen Islam und Deutschland ist der Laizismus wohl kaum die richtige Antwort.“

Berliner Republik 1/11

22.2.11

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