Berlin

„Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität“

Kerstin Griese ist Mitautorin der Armuts-Denkschrift der EKD

„Den Ansatz, nicht nur allein durch Barmherzigkeit, sondern durch Teilhabe Menschen den Weg aus der Armut zu ermöglichen, begrüße ich ausdrücklich“, erklärt Kerstin Griese zu der Denkschrift der Evangelischen Kirche zum Thema Armut in Deutschland.

Der EKD sei es mit dieser Denkschrift gelungen, so Griese, den immer wieder konstruierten Widerspruch von Verteilungsgerechtigkeit und Chancengerechtigkeit aufzulösen. Indem der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber die Teilhabegerechtigkeit in den Vordergrund stelle, betont er, dass materielle Sicherheit zwar die notwendige Basis sei, aber nicht ausreiche, wenn nicht auch die Chancen der Menschen auf Teilhabe an der Gesellschaft gestärkt werden. In der Denkschrift heiße es dazu: „Nur durch die Verbesserung der Teilhabegerechtigkeit ist eine dauerhafte Sicherung vor Armut im Sinne von Ausgrenzung möglich.“

Die EKD-Synodale Kerstin Griese hat als Mitglied der „Kammer für soziale Ordnung“ selbst an der Denkschrift mitgearbeitet. „Die Evangelische Kirche in Deutschland stellt die Forderung nach mehr Teilhabe und Verbesserung der Bildungschancen in den Mittelpunkt der Debatte um Gerechtigkeit und Überwindung der Armut. Eindrucksvoll macht die EKD deutlich, dass wirtschaftlicher Wohlstand und soziale Gerechtigkeit in einem reichen Land wie Deutschland untrennbar zusammengehören müssen.“ Deshalb seien die zunehmende Spaltung der Gesellschaft und das steigende Armutsrisiko, besonders bei Kindern, nicht hinnehmbar.

„Wenn Menschen ins Abseits geraten, ist das ein alarmierendes Zeichen für die Demokratie“, so Kerstin Griese weiter, „denn Armut bedeutet heute nicht nur, kein Geld zu haben, sondern auch, eingeschränkt an den gesellschaftlichen und politischen Prozessen teilzuhaben oder gar völlig davon ausgegrenzt zu sein.“ Hier sei die Empfehlung der EKD richtig, neben finanziellen Transferleistungen besonders mit aktivierenden und unterstützenden Hilfen Menschen den Weg aus der Armut zu ermöglichen. Die Forderungen gingen dabei von einer dauerhaften staatlichen Förderung im Niedriglohnsektor bis hin zu verlässlicher Kinderbetreuung. „Ein gutes Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder ist vor allem unverzichtbar, wenn wir Menschen aus der Armut helfen wollen. Finanzielle Unterstützung durch den Staat ist wichtig, um den Betroffenen ein würdiges Leben zu ermöglichen. Entscheidend ist aber, ihnen Hilfen anzubieten, um selbständig und eigenverantwortlich ihre Existenz sichern zu können.“ Das erreiche man, in dem man auf Bildung setzt, die schon im Kleinkindalter beginnt, heißt es dazu im Text der EKD.

Von allen Faktoren, die zu Verarmung führen, zeige sich aus mangelnder Bildung resultierende Arbeitslosigkeit als deutlichste Ursache. „Erfolg in der Schule und frühkindliche Bildung hängen unmittelbar zusammen. Bildung kann gar nicht früh genug beginnen“, weiß Kerstin Griese aus ihrer Arbeit als Familienausschussvorsitzende. Bildungs- oder auch sprachliche und soziale Schwächen seien später nur schwer auszugleichen. Das Scheitern in der Schule und am Arbeitsmarkt seien häufig die Folgen. Armut zeige sich bei betroffenen Familien und Kindern nicht nur dadurch, dass sie wenig Geld haben, sondern dass sie Bildungsdefizite haben, stelle die Denkschrift fest. „Mit dem Ausbau der Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder können wir einen nachhaltigen Weg aus der Armut finden. Auch die Forderung nach einem gebührenfreien Kindergartenplatz ab dem zweiten Lebensjahr begrüße ich sehr. Ich freue mich, dass wir dabei die Unterstützung der Evangelischen Kirche haben, die selbst viele Kindertageseinrichtungen betreibt.“

Dass Solidarität und Eigenverantwortung zusammen gehören, werde in der Denkschrift betont, so Griese. Neben der Stärkung der Kompetenzen durch Bildung müsse auch für die kleine Gruppe von weniger Qualifizierbaren eine Chance auf Arbeit angeboten werden. Kerstin Griese sieht in den Ausführungen der EKD zur staatlichen Verantwortung für die Menschen Unterstützung für die Pläne, dauerhafte staatliche Arbeitsplätze für schwer Vermittelbare oder gering Qualifizierte zu schaffen.

„Positive Impulse aus dieser Denkschrift erhoffe ich mir auch für unsere Diskussion über die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme“, so die SPD-Kirchenbeauftragte. Darin werde betont, dass es in Deutschland besonders im internationalen Vergleich nötig sei, unsere sozialen Sicherungssysteme verstärkt und nachhaltig über Steuern zu finanzieren. „Ich freue mich auf die gesellschaftliche Debatte. Wir sind uns als Sozialdemokraten einig mit der Evangelischen Kirche im Bemühen um eine nachhaltige Bekämpfung von Armut und Unterstützung für die von Armut betroffenen Menschen, mit dem Ziel, sie zu stärken und zu integrieren.“

Gerechte Teilhabe – Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität: Eine Denkschrift des Rates der EKD zur Armut in Deutschland, Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus 2006, 79 Seiten

EKD: Denkschrift der EKD über Armut in Deutschland

11.7.06

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