Junge Leute gelten in der Bundestagsfraktion
der SPD als Exoten. Eine Wahlschlappe würde die Reihen der meist auf
hinteren Listenplätzen stehenden Youngster weiter ausdünnen. "40 unter
40" fordern nun die Jusos und greifen damit die etablierte
"Willy-Generation" an.
WAZ Essen.
Die um 1970 in die Partei eingetretenen Brandt-Begeisterten sind es
nämlich, die zurzeit die Sozialdemokratie dominieren. Nur 22 der 251
SPD-Bundestagsabgeordneten sind nach 1965 geboren. Selbst in der
Unionsfraktion gibt es mehr Junge, von den Grünen ganz zu schweigen.
Fällt die nächste SPD-Fraktion kleiner aus, dürften die etablierten
Alten noch mehr Gewicht erlangen. Mit der Forderung nach 40 unter
40-jährigen Abgeordneten wollen die Jungen nun den Generationenwechsel
forcieren. Doch die Zeit bis zur Wahl ist knapp.
Dabei stehen die Chancen für junge Aufsteiger in der Partei derzeit
nicht schlecht. Politisches Desinteresse und Mitgliederschwund
schmälern die Konkurrenz, die Ochsentour durch die Ortsvereine ist
weniger hart geworden. Doch sich für die Politik als Beruf zu
entscheiden, fällt vielen schwer.
"Als ich 2002 in den Landtag nachrücken sollte, zögerte ich", räumt
Karsten Rudolph ein. Der Historiker hatte eine Professoren-Stelle in
Aussicht. Den Ausschlag gab Johannes Rau. "Er warnte mich: Wenn du´s
jetzt nicht machst, wirst du nie wieder gefragt", erinnert sich der
43-Jährige.
Mangel an jungen Kräften erkennt der stellvertretende Vorsitzende des
NRW-Landesverbandes vor allem auf Bundesebene. "Die Wahl bietet nun die
Chance, dass einige, die schon länger im Parlament sind, ihre Plätze
für jüngere räumen", sagt der gebürtige Wetteraner. Viele der
Fraktions-Veteranen haben jedoch nichts als Politik gelernt.
Entsprechend verwachsen sind sie mit ihren Sesseln. Jungen Einsteigern
rät Rudolph darum, vor einer Abgeordnetenkarriere einige Jahre in ihrem
Beruf zu arbeiten und zudem Verantwortung für Familie und Angehörige zu
übernehmen. Rudolph: "Erst dann begreift man, was Politik mit dem Leben
zu tun hat."
Ein reines Juniorenparlament wünscht sich keins der genannten
SPD-Mitglieder. Konsens ist: Die Mischung muss stimmen. "Wäre es nach
uns Jungen gegangen, hätten wir vor ein paar Jahren parteiübergreifend
beschlossen, die Rentenbeiträge in den Neuen Markt zu investieren",
sagt Rudolph. In Fragen umweltpolitischer Nachhaltigkeit sieht er den
Nachwuchs jedoch vorn: "Einfach, weil er noch mehr vom Leben vor sich
hat."
Entsprechend führt Kerstin Griese als gelungenes Beispiel für eine
parteiübergreifende Initiative junger Parlamentarier den Antrag
"Generationengerechtigkeit" an.
Mit Blick auf die vorgezogene Wahl sagt die 38-jährige Abgeordnete, die
seit drei Jahren einem Bundestagsausschuss vorsitzt: "Viele von uns
Jungen sind besorgt, dass sich die Altgedienten die Plätze sichern."
Griese unterstützt die "40 unter 40"-Initiative, "weil es für junge
Wähler wichtig ist, dass sie sehen: Politik wird auch von meiner
Generation gemacht".
SPD-Bundesgeschaftsführer Matthias Machnig hat die Zeichen der Zeit
ebenfalls erkannt. Die SPD-Verjüngung sei "eine Frage der
Existenzfähigkeit geworden", sagte er dem "Spiegel". Die Partei drohe,
den Anschluss an Haltungen, Erfahrungen und Wissensbestände der
jüngeren Generation zu verlieren.
"Wir wollen Online-Partei werden", so der 45-Jährige. "Glückauf" ist out. 12.06.2005 Von Mirko Hackmann
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