WAZ Berlin. Das Wort
"Generationengerechtigkeit" hat in Berlin derzeit
Hochkonjunktur. Und das nicht etwa, weil so oft betont würde,
wie gerecht es zwischen den Generationen zuginge. Vor allem
junge Abgeordnete wollen den Rentnern ganz unverblümt ans
Portmonee.
Dabei ist die Schlagzeile "Rentner
sollen mehr beitragen" momentan vielseitig verwendbar: Sie
sollen a) bei der Rente Abstriche machen, b) mehr in die
Pflegeversicherung einzahlen und c) mehr in die
Krankenversicherung einzahlen. Dass es sich bisher lediglich
um Vorschläge aus der Rürup-Kommission (a und b) und von
einzelnen Abgeordneten (c) handelt, wird die Älteren kaum
beruhigen. Schließlich hat der Kanzler grob die Richtung
vorgegeben: "Auch die Rentner werden Ansprüche zurücknehmen
müssen."
Inhaltlich meinte Gerhard Schröder zwar
"nur" die Rente, doch Jungparlamentarier nutzen die
Gelegenheit, um ganz offen höhere Belastungen für Rentner auf
breiter Ebene zu fordern. "Es ist notwendig, dass wir jetzt
mal zu Reformen kommen, die alle Generationen berücksichtigen
und nicht nur eine Altersgruppe", findet etwa die
Haushaltssprecherin der Grünen, Antje Hermenau (39). Ihr
pflichtete die Jüngste im CDU-Bundesvorstand, Barbara
Wnuk-Lipinski (27), ausdrücklich bei. Es könne nicht angehen,
meinte die Bundesvorsitzende des Rings
Christlich-Demokratischer Studenten, dass "die heutigen
Rentner keinen Beitrag zur Stabilisierung der
Rentenversicherung" leisteten. Sie müssten daher in den
kommenden drei Jahren auf eine Rentenerhöhung verzichten.
Quer durch alle Fraktionen arbeiten die
Jungen fleißig an ihrer Lobby und stellen sich dabei in der
Regel geschickter an als Junge-Union-Chef Philipp Mißfelder
mit seinem allzu mutigen Vorstoß, über 85-Jährigen keine
künstlichen Hüftgelenke mehr zu gönnen. 24 Abgeordnete aus
CDU, FDP und Grünen haben unlängst ein Memorandum
unterzeichnet, das fordert, jedes Gesetzesvorhaben auf seine
Generationengerechtigkeit zu prüfen. Die im "Netzwerk"
organisierten jungen SPD-Abgeordneten gehen ihren eigenen,
weniger konfrontativen Weg. "Netzwerk"-Mitglied Kerstin Griese
(37) plädiert dafür, "die arbeitende Generation nicht zu stark
zu belasten", findet aber auch, dass "die Rentner nicht alles
zahlen sollen".
Deshalb und in ihrer Funktion als
Vorsitzende des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend findet Griese den Rürup-Vorschlag zur Senkung des
Bruttorentenniveaus von 48 auf 40 Prozent "zu hart". Ebenso
die Idee zur Pflegeversicherung, Rentnern ab 2010 einen
"Ausgleichsbetrag in Höhe von zwei Prozent des Einkommens"
abzuverlangen. Bei einer Durchschnittsrente wären das 20 Euro
im Monat. Die Velberterin plädiert für ein neues System, das
sich an der finanziellen Bedürftigkeit ausrichtet - Vermögende
sollen weniger Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten
als Menschen mit geringem Einkommen.
Ihr Fraktionskollege Rainer Wend, mit
49 einer aus der mittleren Generation, hat derweil einen
weiteren Zuschlag für Ältere ins Gespräch gebracht, den so
genannten "Rentner-Soli" für die Krankenkassen. Wie die
Grünen-Fraktionsvize Thea Dückert hält der
SPD-Wirtschaftsexperte dies für einen vernünftigen Weg, die
jüngeren Generationen zu entlasten.
Und was sagt die ältere Generation?
Familienministerin Renate Schmidt (59, SPD) wollte sich bis
zur offiziellen Vorstellung der Rürup-Pläne am heutigen
Donnerstag zu Details nicht äußern. Dennoch wusste auch sie
unlängst etwas zu dem Thema beizutragen. "Ich bin jetzt im 42.
Erwerbsjahr", sagte sie, "diese Biografien muss man
berücksichtigen." Und schlussendlich: "Das Geschwätz über den
Generationenkrieg bringt uns nicht weiter." 27.08.2003 Von Stefan Schulte |