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Eine schwangere Frau horcht mit einem Herzton-Wehen-Schreiber die Herztöne ihres Babys ab. Foto: dpa/pa
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Wie Politiker, Frauenärzte und Fortpflanzungs-Mediziner über Schwangerschaftsabbrüche denken. Familienpolitiker von Grünen, FDP und SPD wundern sich über CDU-Vorstoß für schärfere Gesetze
SCHWERPUNKT SPÄTABTREIBUNGEN
Essen. Natürlich
müssten Spätabtreibungen vermieden werden, wann immer es geht.
Natürlich dürfe es nicht sein, dass behinderte Kinder schon im
Mutterleib aussortiert werden. Darüber sind sich Familien- und
Ethikexperten der Bundestagsfraktionen von FDP, SPD und den Grünen
einig. Die von der CDU angestrebte Gesetzesänderung halten sie aber für
unnötig.
Vor allem für die von der Union geforderte Zwangsberatung vor dem
Abbruch sehen die Parteien keinen Anlass. "Die Frau kann gar nicht
allein entscheiden, ob sie ihr behindertes Kind austrägt oder nicht",
sagt die Grünen-Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk. Sie erinnert an
die notwendige medizinische Indikation, nach der eine Abtreibung nur
erlaubt ist, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, und zwar unter
der Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen
Lebensverhältnisse. Der Arzt sei es also, der die Entscheidung treffe -
im Einvernehmen mit der Mutter.
Der Arzt: Ihm komme auch bei der Aufklärung vor allen vorgeburtlichen
Untersuchungen die Schlüsselrolle zu. Vor allem Frauen über 35 würden
viel zu oft von ihren Ärzten oder Ärztinnen überredet, die von den
Krankenkassen bezahlte Fruchtwasseruntersuchung machen zu lassen, sagt
Schewe-Gerigk. Mit der Methode lassen sich unter anderem
Chromosomenveränderungen und damit auch das Down-Syndrom
diagnostizieren.
Während der langen Zeit der Ungewissheit, bis das Ergebnis vorliegt,
würden die Mütter oft eine große Sorge durchleben, sagt die
FDP-Abgeordnete Ina Lenke, und das belaste die unkomplizierte
Schwangerschaft. "So wie es ein Recht auf Wissen gibt, muss es auch ein
Recht auf Nichtwissen geben", so die liberale Familienexpertin.
Während Schewe-Gerigk die Pflichtberatung fordert, noch bevor die
Diagnostik-Maschinerie anläuft, will die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese
vor allem ein für Behinderte positiveres gesellschaftliches Klima
schaffen. Natürlich müsste aber das Beratungsangebot besser werden, und
zwar in einem positiven, lebensbejahenden Sinn. Zwang sei nicht
notwendig, schließlich handele es sich meistens um Wunschkinder. "Keine
Frau treibt leichtfertig ab."
Leichtfertig nicht, dafür unter Schock, meint der CDU-Abgeordnete
Hubert Hüppe. "Wenn Frauen erfahren, dass sie ein behindertes Kind
erwarten, treffen sie womöglich eine Entscheidung, die sie sonst nicht
treffen würden." Weshalb der CDU-Mann dafür plädiert, dass auch ein
weiterer Arzt vor der Abtreibung die Frau beraten muss. "Die Erteilung
der Indikation reicht als Beratung nicht aus."
Eine Pflichtberatung vor der Diagnose - darauf werden sich wohl alle
Parteien einigen können. Eine weitere Pflichtberatung vor der
Abtreibung, das ist ein Kompromiss, wie ihn sich Hubert Hüppe
vorstellen könnte. Noch lieber hätte der Christdemokrat, dass Ärzte
nicht mehr später für Behinderungen haftbar gemacht werden können, wenn
sie ein Kind durch Überzeugung vor der Abtreibung verschonen konnten.
"Dieses Ausschlussrecht soll dann gelten dürfen, wenn eine Therapie nur
die Tötung des Kindes bedeuten kann."
Eine derartige Aufweichung der Ärztehaftung lehnen die anderen Parteien
allerdings ab. Sie befürchten, dass dann Schwangere weniger geschützt
seien als alle anderen Patienten.
Behinderte integrieren, statt sie schon vor der Geburt zu selektieren -
das ist das erklärte Ziel der Ethikexperten, und zwar über die
Fraktionsgrenzen hinweg. |