Das Ehegattensplitting gilt vielen Politikerinnen als überholt.
Ihre
männliche
Kollegen wehren sich gegen die Abschaffung. "Bestimmtes Rollenverständnis"
Berlin. Es gibt Themen in der Politik, da
begegnen wir nicht nur einer grünen, liberalen, linken, sozial- oder
christdemokratischen Sichtweise, sondern auch einer männlichen und
einer weiblichen. Das Ehegatten-Splitting ist so ein Fall: Vielen
Politikerinnen gilt es als überholt, weil es die Alleinverdiener-Ehe in
hohem Maße belohnt - und die ist nach Ansicht dieser Politikerinnen ein
Auslaufmodell. Politiker denken da anders, denn sie haben sich meist
just in diesem Auslaufmodell eingerichtet.
Die Vorsitzende des Familienausschusses, Kerstin Griese (SPD), glaubt
dennoch, dass sich nun etwas bewegen könnte. So setze sich allmählich
die Einsicht durch, "dass die Leistungen für Familien so umgestaltet
werden müssen, dass sie in die Infrastruktur für Kinder fließen".
Derzeit gebe der Staat 150 Milliarden Euro pro Jahr für Familien aus,
doch nur ein Bruchteil fließe in Betreuung und Bildung. Die SPD werde
daher Ende Mai eine Arbeitsgruppe unter Leitung der stellvertretenden
Parteichefin Bärbel Dieckmann und der Parlamentarierin Nicolette Kressl
einrichten, der Familien- und Finanzexperten der Fraktion angehören
sollen. Die Gruppe soll alle familienpolitischen Leistungen (vom
Kindergeld über Sachleistungen in der Schwangerschaft bis zu den
zahlreichen Freibeträgen) auflisten und ihre Wirksamkeit untersuchen,
die Ergebnisse sollen spätestens im Frühjahr 2007 vorliegen. Über die
verfehlte Wirksamkeit des Ehegatten-Splittings sagt Griese aber schon
jetzt: "Das bringt am meisten, wenn die Kinder längst aus dem Haus
sind."
Der familienpolitische Sprecher der Union, Johannes Singhammer (CSU),
hält das für völlig in Ordnung: "Diese Ehepaare haben jahrelang jede
Menge Geld und Zeit in ihr Kind investiert. Wieso sollten sie
steuerlich bestraft werden sollten, sobald ihre Kinder ausziehen?"
Ebenso richtig sei, dass das Splitting auch kinderlosen Ehepaare nutze:
"Die erhalten ja keinen Bonus, sondern nur einen Ausgleich dafür, dass
sie eine Wirtschaftsgemeinschaft eingehen und einer von beiden sein
Einkommen teilt." Das Bundesverfassungsgericht habe diese Bewertung
mehrfach bestätigt, eine Abschaffung des Splittings sei daher nicht nur
"zutiefst unsolidarisch", sondern auch "verfassungsmäßig nicht
möglich". Im übrigen sehe der Koalitionsvertrag mit der SPD nicht
einmal eine Änderung der geltenden Regelung vor.
Genau die schwebt aber der familienpolitischen Sprecherin der SPD,
Christel Humme, vor. In seiner jetzigen Form bedeute das Splitting für
Frauen ein Beschäftigungshemmnis und eine steuerrechtliche
Benachteiligung: "Außerdem fördert es die Ehe - nicht die Familie."
Dagegen könne man schon mir einer Kappung des Splittings 2,5 Milliarden
Euro einsparen, das reiche, um die Kindergärten beitragsfrei zu machen:
Die Elternbeiträge für Kindergärten lägen derzeit bei 2,2 Milliarden
Euro. Sie wisse aber, dass solche Überlegungen "in der Union keine
Freudenschreie auslösen".
Die Vize-Fraktionschefin der Grünen, Krista Sager, beobachtet die
jüngste Entwicklung amüsiert: In der gemeinsamen Koalition nämlich
hätten die Grünen in Sachen Ehegattensplitting stets bei der SPD "auf
Granit gebissen", vor allem bei den "männlichen Funktionären".
Unter der Hand räumen auch SPD-Politikerinnen ein, dass es den
Parteifreunden schwer falle, sich von einem "bestimmten
Rollenverständnis" zu lösen. Kerstin Griese wertet es daher als
"positives Signal", dass SPD-Fraktionschef Peter Struck jüngst
erklärte, das Splitting gehöre auf den Prüfstand.
Und Sager ruft den SPD-Frauen aufmunternd zu: "Willkommen im Club!" |