Politiker aus allen Bundestagsfraktionen plädieren für einen deutschsprachigen Islamunterricht an den Schulen.
Die SPD-Kirchenbeauftragte Kerstin Griese will damit Kinder verschiedener Religionen gleichstellen
Berlin. Auf dem Thema Integration lag zuletzt
ein strenger Akzent, da wurde über eine Deutschpflicht auf Schulhöfen
diskutiert oder über einen Gesinnungstest für Muslime. Nun mag die
SPD-Abgeordnete Kerstin Griese nicht länger von Zwang und Kontrolle
sprechen, sondern wünscht sich ein "einladendes Zeichen" an die hier zu
Lande lebenden Muslime. Ein deutschsprachiger Islamunterricht an den
Schulen könne ein solches Zeichen sein, meint Griese, die auch
Kirchenbeauftragte ihrer Fraktion ist. "Damit wären muslimische Schüler
den katholischen, evangelischen und jüdischen Kindern gleichgestellt.
Der integrative Faktor wäre deutlich höher als bei einem
Religionsunterricht, der am Nachmittag außerhalb der Schule und dazu
auf Türkisch oder Arabisch gehalten wird."
Griese ist überzeugt, dass ein solcher Unterricht auch das Wissen und
den Respekt vor anderen Religionen stärken könnte. "Ein guter
christlicher Religionslehrer vermittelt ja auch Kenntnisse über das
Judentum oder den Islam, umgekehrt wäre das ebenso wünschenswert."
Nebenbei hätte ein deutschsprachiger Unterricht den Charme, dass die
Inhalte den deutschen Stellen bekannt wären. "Um die Curricula
abzusprechen, brauchten wir allerdings einen zentralen muslimischen
Ansprechpartner, den wir derzeit nicht haben."
Der grüne Migrationsexperte Volker Beck ist jedoch zuversichtlich,
"dass wir perspektivisch eine demokratisch legitimierte Vertretung der
Muslime in Deutschland bekommen". Mit einer solchen Körperschaft
öffentlichen Rechts könnte man nicht nur über die Lehrpläne verhandeln,
sondern auch die Ausbildung der Lehrer. "Es ist nicht akzeptabel, dass
muslimische Religionslehrer grundsätzlich im Ausland ausgebildet
werden." Auch Grünen-Chefin Claudia Roth fordert, dass der
Islamunterricht von Lehrern erteilt wird, "die an deutschen Hochschulen
ausgebildet worden sind". Das ist keineswegs unrealistisch: So wurde
vor zwei Jahren an der Universität Münster eine Professur für "Religion
des Islam" eingerichtet, damit ist Münster die erste deutsche
Hochschule, die Lehrer für den Islamunterricht ausbildet. Und einige
Bundesländer haben bereits Modellversuche mit dem Islamunterricht
gestartet.
Mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit der Länder mögen sich die
Bundespolitiker auch nicht zur genauen Gestaltung des Islamunterrichts
äußern, wohl aber zu seinen Vorteilen. "Eine kluge Anerkennung des
Islam stärkt die gemäßigten Strömungen", sagt Beck. Auch gehöre die
Kenntnis der großen Religionen zum "kulturellen Rüstzeug aller Bürger".
Und die Kirchenbeauftragte der Union, Ingrid Fischbach, erhofft sich
vom Islamunterricht mehr Transparenz: "Ein solcher Unterricht wäre
hilfreich, weil die Arbeit der Moscheevereine oft nicht transparent
ist. Im Bereich Integration entsteht aber gerade durch Nichtwissen oft
Scheu oder gar Angst." Auch FDP-Kollegin Sibylle Laurischk hält für
"bedenklich, dass die jetzigen Angebote im schulfernen Rahmen von
deutschen Stellen nicht zu beeinflussen sind".
Noch wichtiger als eine mögliche Kontrolle ist der Liberalen Laurischk
aber das "Signal für die Wertschätzung des Islam". Mit dem
Schulunterricht würde die Ausgrenzung einer Religion beendet und die
Integration in zweierlei Hinsicht befördert. Erstens gäbe es endlich
von deutscher Seite ein Angebot für die vielen muslimischen Kinder.
Zweitens würde "die Annahme der deutschen Sprache" gefördert, wenn man
auf Deutsch den eigenen Glauben zum Thema mache. Sprache sei
schließlich der Schlüssel zur Integration und ihre Förderung hier zu
Lande viel zu lange vernachlässigt worden. Da ist Laurischk ganz nah
bei Kerstin Griese, die sich "ein verbindliches, kostenloses
Kindergartenjahr wünscht, damit ausländische Kinder vor der Einschulung
Deutsch lernen". Nur dann könnten sie später auch dem deutschsprachigen
Islamunterricht folgen. |