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Gewaltige Hoffnungen ruhen auf
Franz Müntefering, dem designierten Vorsitzenden
der SPD. ap-Bild
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Berlin sortierte sich am Montag
geräuschvoll. Die SPD diskutierte den Reformkurs, der
Bundeskanzler kündigte eine Regierungserklärung zur Agenda
2010 an, und die Union brachte sich für das Superwahljahr
frisch in Stellung.
Leise Liebesgrüße aus den Ortsvereinen
drangen kaum durch. Doch aus NRW, wo die Sozialdemokraten
äußerst nervös der Kommunalwahl im September und der
Landtagswahl im nächsten Jahr entgegenblicken, übermittelten
SPD-Abgeordnete nach langer Zeit wieder entspannte Signale von
der Basis. Der Wechsel des Parteivorsitzes von Bundeskanzler
Gerhard Schröder zu Fraktionschef Franz Müntefering scheint
Mut zu machen.
Ulla Burchardt aus Dortmund fasste die
Reaktionen auf die Neuordnung der Spitze nach einem
Frühschoppen im Ortsverein zusammen: "Eine gute Entscheidung."
Nun könne sich der Kanzler auf seinen Vollzeitjob
konzentrieren.
Kerstin Griese meldete aus ihrem
Wahlkreis Mettmann II positive Anrufe und einen
aufschlussreichen Abend mit den Jusos. "Das Tandem
Schröder/Müntefering wird als Garant dafür gesehen, dass es
mit der Partei wieder vorwärts geht." Viele vertrauten darauf,
in Franz Müntefering einen Vorsitzenden zu bekommen, der die
Partei besser versteht. Jetzt gelte es, den Reformkurs zu
halten, handwerkliche Mängel abzustellen und vor allem Ziele
zu erklären.
Franz Müntefering, der auf einem
SPD-Sonderparteitag am 21. März zum neuen Parteichef gewählt
werden soll, sah sich gleichermaßen mit gewaltigen Hoffnungen
wie mit dissonanten Tönen konfrontiert. NRW-Landeschef Harald
Schartau erneuerte seine Forderung nach Korrekturen bei der
Gesundheitsreform. Juso-Chef Niels Annen verlangte
Ausbildungsabgabe und Einstieg in die Bürgerversicherung und -
Müntefering verordnete seiner Partei Disziplin. "Das, was
beschlossen ist, gilt." Umbau und Neuerungen in Deutschland
seien nicht abgeschlossen. "Die Agenda 2010 dauert bis 2010."
Es müsse zügig, aber mit etwas weniger Hektik weitergehen.
"Wir werden die Partei enger an die Diskussion ranholen
müssen."
Bundeskanzler Gerhard Schröder wandte
sich derweil europapolitischen Tätigkeiten zu. Er empfing
Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac im Schloss
Genshagen bei Berlin und stimmte sich mit ihm über die
EU-Verfassung ab. Später flog er nach Dublin, um das
umstrittene Vertragswerk mit dem irischen Ministerpräsidenten
und amtierenden EU-Ratspräsidenten Bertie Ahern
durchzusprechen.
Die Union diskutierte, wie mit dem
angeschlagenen Kanzler ohne Parteivorsitz gewinnbringend
umzugehen sei. CDU-Chefin Angela Merkel beendete schließlich
die Serie der Forderungen nach Neuwahlen, indem sie an das
Grundgesetz erinnerte. Der Schlüssel läge nun mal in den
Händen derer, die die Mehrheit haben. Zeitweilig hatte auch
Merkel sich dem Ruf angeschlossen, der zuerst aus Bayern
herübergehallt war. In München wartet CSU-Chef Edmund Stoiber
noch immer auf seine zweite Chance, Schröder abzulösen.
Weil Merkel aber bekanntermaßen auf
ihre eigene Kanzlerkandidatur setzt, kann es für sie nur
hilfreich sein, wenn Schröder im Amt bleibt. Sie will sich im
Superwahljahr als die bessere Reformerin profilieren. "Ich
rate dazu, dass wir uns auf das konzentrieren, was die
Menschen in unserem Land interessiert", sagte sie. Merkel
setzt darauf, von der Krise der SPD im Superwahljahr
hinreichend profitieren zu können, um 2006 mit guten Chancen
antreten zu können. 09.02.2004 Von
WAZ-Korrespondentin Angela Gareis, Berlin |