Niederberg/Ratingen

„Ich werde alles tun, damit die Rathäuser wieder rot werden“

Kerstin Griese im großen Samstagsinterview der Velberter Zeitung

Neue Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Mettmann II ist Kerstin Griese (35). WAZ-Redakteur Michael Muscheid sprach mit der SPD-Politikerin, die nun die Nachfolge von Regina Schmidt-Zadel (SPD) angetreten hat.

WAZ: Frau Griese, wie fühlt man sich als direkt gewählte Bundestagsabgeordnete?

Griese: Gut, sehr gut sogar. Es ist eindeutig ein besseres Gefühl, von den Bürgern nach Berlin geschickt zu werden als in den Bundestag nachzurücken wie vor zwei Jahren.

WAZ: Warum haben Sie das Rennen so klar für sich entscheiden können – und das sogar als „Zugereiste“?

Griese: Die Grundstimmung im Wahlkreis war positiv für die SPD. Dass der Abstand zu Christian Richartz (CDU) so groß war, lag aber auch an dem sehr aktiven Wahlkampf, den wir als SPD – gemeinsam und geschlossen – vor Ort geführt haben. Dabei haben wir ja nicht nur klassisches Partei-Material verteilt, sondern auch eigene Ideen umgesetzt. Oder anders ausgedrückt: Die SPD war aktiv, die CDU passiv.

WAZ: Sie sind von Düsseldorf nach Velbert gekommen, um ein Direktmandat zu holen. Das Ziel haben Sie erreicht. Wo ist nun Ihr Lebensmittelpunkt?

Griese: Der wird in Niederberg und Ratingen liegen, denn fürs Lebensgefühl ist es sehr wichtig, dass man viel vor Ort ist. Ein Drittel der Zeit muss ich aber zu den Sitzungswochen in Berlin verbringen – und ein, zwei Tage möchte ich nach Düsseldorf.

WAZ: Weil Sie dort eine Wohnung mit Ihrem Freund haben.

Griese: Richtig, das wird jetzt aber seine Wohnung, denn ich habe mich ja hier in meinem Wahlkreis eingerichtet.

WAZ: Wie gefällt Ihnen Ihre neue „Wahlheimat“ Velbert?

Griese: Sehr gut. Die Menschen sind bodenständig, es ist angenehm, durch die Straßen zu gehen und Leuten zu begegnen, die man kennt. Auch mit der Mentalität komme ich gut zurecht. Ich bin ja in Westfalen geboren – vielleicht treffen da Dickköpfe aufeinander (lacht).

WAZ: Wird sich Ihre Arbeit – da Sie jetzt Abgeordnete für einen Wahlkreis sind – ändern?

Griese: Bestimmt. Ich sehe die Bundespolitik mehr aus der Blickrichtung meines Wahlkreises. Das merke ich auch daran: Menschen aus dem Wahlkreis treten an mich heran und haben zum Beispiel Fragen zu Behörden. Das ist gut so und sehr wichtig.

WAZ: Was können Sie aus Berlin für Velbert tun?

Griese: Dass der Lückenschluss der A 44 kommt, ist eines meiner Anliegen. Optimistisch gesehen könnte in drei bis vier Jahren mit dem Bau begonnen werden. Ich möchte auf jeden Fall als MdB dabei sein, wenn bei der Eröffnung das Band durchgeschnitten wird.

WAZ: Hat die Niederbergbahn für Sie eine geringere Priorität?

Griese: Nein, auf keinen Fall. Straße und Schiene sind gleich wichtig, man darf beides nicht gegeneinander ausspielen. Dass Mittel für die Niederbergbahn zur Verfügung gestellt werden, ist auch Aufgabe der Bundespolitik, und dafür werde ich mich einsetzen. Als Zeichen will ich nun auch der Initiative „Pro Bahn“ beitreten.

WAZ: Wie wollen Sie den Dialog mit Bürgern und Politikern führen?

Griese: Ich plane eine regelmäßige Bürgersprechstunde in Velbert, und in Ratingen möchte ich eine Außenstelle meines Büros aufmachen. Des Weiteren möchte ich präsent bleiben in Vereinen und bei Veranstaltungen. Was die Politik angeht, so plane ich einen „Jour Fixe“ für den Kreis, an dem parteiübergreifend die Bürgermeister, Landtagsabgeordneten und der Landrat teilnehmen sollten. Dabei könnte überlegt werden, bei welchen Projekten die Politiker an einem Strang ziehen könnten, etwa um Fördergelder zu erhalten.

WAZ: Zur Bundespolitik: Wo sehen Sie in dieser Legislaturperiode Ihre Schwerpunkte?

Griese: Die Familien- und Jugendpolitik wird mein Schwerpunkt bleiben, hier möchte ich inhaltlich weiterkommen. Der Jugendschutz zum Beispiel muss weiter verbessert, die Arbeitslosigkeit junger Menschen abgebaut, Kindergartenplätze – gerade für Kinder unter drei Jahren – müssen aufgestockt werden. Ob ich mit 35 Jahren noch Sprecherin der „Youngsters“, der jungen SPD-Abgeordneten, sein muss, weiß ich aber noch nicht. Natürlich bin ich nach wie vor Mitglied im SPD-Bundesvorstand.

WAZ: Zurück nach Velbert: In zwei Jahren finden die Kommunalwahlen statt. Werden Sie sich in den Wahlkampf vor Ort einmischen?

Griese: Sagen wir so: Ich werde alles dafür tun, dass die Rathäuser im Kreis wieder rot werden und dafür den Ortsverbänden mit Rat und Tat zur Seite stehen. In Velbert – das hat der letzte Wahlkampf gezeigt – gibt es eine strukturelle Mehrheit für die SPD. Und wenn wir den Schwung aus dem Bundestags-Wahlkampf mitnehmen, dann hat die SPD eine gute Chance, in Velbert den nächsten Bürgermeister zu stellen.

WAZ: Wer ist Ihr Kandidat?

Griese: Den gibt´s noch nicht. Es wäre jetzt auch zu früh, den schon zu küren. Zunächst sollte die SPD ein Programm für die Kommunalwahl aufstellen, um zu zeigen, was sie inhaltlich will und dann, mit geschärftem Profil, einen Kandidaten präsentieren.

WAZ: Wissen Sie schon, was Sie in vier Jahren vorhaben?

Griese: Natürlich erneut kandidieren! Ich betrachte das hier nicht als Kurz-Aufenthalt, sondern als langfristiges Engagement. Trotzdem weiß ich natürlich, dass ich nur für vier Jahre gewählt worden bin und dass ich die Bürger, die Vertrauen in mich gesetzt haben, nicht enttäuschen darf. Ob ich aber so viele Jahre im Bundestag bleiben werde wie Heinz Schemken, das weiß ich wirklich nicht (lacht).

Velberter Zeitung

19.10.02

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