Niederberg/Ratingen

Aussiedler in Ratingen-West

Diskussion über die EinwanderInnen aus Russland und Kasachstan


Helena Risling, Pfarrer Matthias Leithe, der SPD-Vorsitzende Erik Amaya, der Aussiedlerbeauftragte Jochen Welt und Sergej Aruin.

Der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Jochen Welt (SPD), war auf Einladung von Erik Amaya nach Ratingen-West gekommen. Amaya, Vorsitzender der SPD in Ratingen-West, konnte etwa 100 interessierte Gäste im Saal des Freizeitzentrums begrüßen. Eingeladen waren auch der Pfarrer Matthias Leithe sowie die SozialarbeiterInnen Sergej Aruin und Helena Risling.

In Ratingen wohnen 4500 EinwanderInnen aus Russland und Kasachstan, ein großer Teil von ihnen lebt in Ratingen-West. „Die Integration ist nicht leichter geworden“, stellte Jochen Welt fest. Anfang der 90er Jahre seien die meisten Zuwanderer aus geschlossenen deutschen Siedlungsgebiete gekommen und hätten zu drei Vierteln deutsche Sprachkenntnisse vorweisen können. Heute beantragten dagegen immer mehr gemischtnationale Familien die Einreise. Nur noch 20 Prozent der Aussiedler seien Antragsteller mit Deutschkenntnissen, 80 Prozent kämen als mitreisende Familienangehörige.

Das Zuwanderungsgesetz habe vorgesehen, dass der Sprachkenntnistest schon vor Ort erfolge. „Es ist dramatisch, dass dieses Zuwanderungsgesetz jetzt gestoppt wurde“, sagte Welt. „Die Bemühungen der Bundesregierung, eine Reduzierung des Aussiedlerzuzugs zu erreichen, werden zunichte gemacht“, machte er auf die Folgen eines endgültigen Scheiterns des Zuwanderungsgesetzes aufmerksam. „Nicht nur die Integration der Russlanddeutschen wird aufgrund weiter abnehmender Sprachkompetenz immer schwieriger und steht mancherorts vor unlösbaren Problemen.“

Helena Risling von der Diakonie Ratingen bestätigte, dass die Sprachkenntnisse gerade bei den Jüngeren abnähmen. „Die Älteren sprechen zumeist noch Deutsch in Dialektform. Sie begleiten die Jüngeren beispielsweise auf Ämter“, so Risling. Die Diplom-Pädagogin ist seit Juni 2001 zuständig für das vom Bundesverwaltungsamt geförderte Projekt „Integration jugendlicher AussiedlerInnen“.

Aus dem Publikum, in dem viele sachkundige Vertreter von Sozialverbänden und Schulen – auch Russlanddeutsche selbst – saßen, kamen Fragen nach der nicht ausreichenden Finanzierung von Sprachkursen. Jochen Welt bestätigte, dass die Bundesregierung Mitte der 90er Jahre die Finanzmittel reduziert habe, und das habe fatale Folgen gehabt. Rot-grün habe dann 1998 die Mittel bei einer halbe Milliarde Euro jährlich stabilisiert.

Sergej Aruin, russischsprachiger Streetworker aus Düsseldorf, bezweifelte, dass die sprachliche Integration entscheidend sei. „Die Jugendlichen, die von mir betreut werden, haben so gut wie keine sprachlichen Probleme.“ Auch wenn sie nicht so gut Deutsch sprächen, hätten sie genug Möglichkeiten, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern. „Die sprachliche Integration bedeutet noch nicht die gesellschaftliche Integration.“ Risling bestätigte den Eindruck: „Es gibt keine Verständigungsschwierigkeiten, es fehlt an Begegnungsmöglichkeiten für die Jugendlichen.“ Es bräuchte seine Zeit, die hiesige Jugendkultur zu verstehen, wenn man aus einem völlig anderen Gesellschaftssystem komme. Für den evangelischen Pfarrer in Ratingen-West, Matthias Leithe, ist eine notwendige Bedingung für die Integration aber auch, „dass die neuzugezogenen Menschen sich auch integrieren wollen und darauf zunächst ihre ganze Energie verwenden.“

Aussiedlerbeauftragter

17.01.03

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