EPD 12. Oktober 2000

Bundestag verurteilt Angriffe auf jüdische Einrichtungen

Berlin (epd). Im Bundestag haben alle Fraktionen einhellig die jüngsten Angriffe gegen jüdische Einrichtungen verurteilt. Vor dem Hintergrund der Anschläge auf die Synagogen in Düsseldorf und Berlin bekräftigten am Donnerstag Redner aller Parteien, jüdische Gemeinden hätten in Deutschland eine Heimat und Zukunft, sie seien Teil der Gesellschaft. Einmütig forderten sie ein entschiedenes Vorgehen gegen antisemitische und rassistische Tendenzen. Kontrovers wurde das geplante NPD-Verbot beurteilt. An der Debatte nahm als Gast der Vorsitzende der Berliner Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, teil.

Die Anschläge richteten sich zwar gegen Gebäude, seien aber gegen das friedliche Zusammenleben gerichtet, erklärte Stephan Edathy (SPD). Die Realität von nahezu 600 antisemitischen Straftaten in diesem Jahr dürfe nicht zur Normalität werden: „Jüdische Bürger sind Teil unserer Gesellschaft. Wer sie angreift muss wissen, er greift uns alle an.“ Heinz Schmitt (SPD) erinnerte daran, es sei keine Selbstverständlichkeit, wenn Juden nach den Erfahrungen der deutschen Geschichte wieder in wachsender Zahl in Deutschland Heimat gefunden hätten. Dies sei ein Vertrauensvorschuss, der nicht verspielt werden dürfe.

Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz nannte es einen „Glücksfall“, dass Juden in Deutschland wieder oder neu Heimat gefunden hätten. Deren Entscheidung sei Ausdruck des Vertrauens in die Verfassung und Demokratie. „Wir müssen alles tun, damit dieses Vertrauen nicht enttäuscht wird.“ Jüdische Gemeinden und ihre religiöse Kultur seien eine Bereicherung für alle. Die Anschläge richteten sich nicht gegen eine Minderheit, sondern gegen alle. Zugleich unterstrich Merz, die Straftaten seien kein Spiegelbild der deutschen Gesellschaft. Deutschland sei und bleibe ein weltoffenes Land.

FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle sagte, Steinwürfe gegen Synagogen seien „Steinwürfe mitten in das Gesicht jedes aufrechten Demokraten“. Er forderte Zeichen der Solidarität und verwies auf den Besuch von Politikern aller Parteien in einer Berliner Synagoge. Notwendig gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus seien Repression und Prävention.

Für die Grünen sagte Cem Özdemir, die jüdischen Gemeinden benötigten den Schulterschluss der gesamten Gesellschaft. Es gehe um Meinungs- und Religionsfreiheit. Dies sei kein Minderheitenproblem, sondern gehe alle an. Özdemir warnte davor, Einwanderungspolitik zum Wahlkampfthema zu machen und damit zu „zündeln“.

Özdemirs Fraktionskollegin Annelie Buntenbach betonte, die deutsche Gesellschaft lebe von Vielfalt, Menschen jüdischen Glaubens seien dabei ein unverzichtbarer Teil. Die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese ergänzte, „wir dürfen Übergriffe auf jüdische Gemeinden nicht tatenlos hinnehmen, jüdische Bürger sind Teil unserer Gesellschaft, sie haben Anspruch auf ein Leben ohne Angst.“

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