dpa 26. September 2000

Rechtsextremismus sorgte auch im Jugendparlament für Streit

Von Sabine Brendel

Berlin (dpa) – Die heftige Diskussion über die Gefahr von Rechts überraschte selbst den parlamentarisch erfahrenen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD). „Ich dachte, da gebe es Einigkeit“, sagte Thierse, als die 470 Teilnehmer des „Jugendparlaments“ bei der abschließenden Sitzung im Berliner Reichstag über einen Resolutionsentwurf gegen Rechtsextremismus stritten. Ausgearbeitet hatten ihn einige der 16- bis 24-Jährigen im Arbeitskreis „Miteinander – Nebeneinander – Gegeneinander?“.

Die Jugendlichen, darunter 20 junge Menschen aus Nachbarstaaten, waren zu der zweieinhalbtägigen Veranstaltung „Jugend und Parlament“ nach Berlin gekommen, um die Arbeit des Bundestags kennen zu lernen. In Arbeitskreisen mit Abgeordneten setzten sie sich mit Themen wie Europa, Internet, Werteorientierung oder Religion auseinander.

In dem Entwurf „Keine Chance für Intoleranz und Gewalt“ hieß es: „Rechtes Gedankengut verführt zu Gewalt“ oder „Rechtsextremismus lebt von der täglichen Sorge vor dem Neuen und dem Vorurteil gegenüber allem Fremden“. Bei einigen der politisch interessierten Jugendlichen regte sich da Widerspruch. Jeglicher Extremismus sei zu verurteilen, egal ob er von links oder rechts komme. Ein anderer forderte hingegen, dass Rechts- nicht mit Linksextremismus in Zusammenhang gesetzt werden dürfe.

Schließlich trat die CDU-Abgeordnete Beatrix Philipp ans Rednerpult. Ihren Schlichtungsvorschlag, in dem Entwurf unter anderem „Rechtes Gedankengut“ in „Extremistisches Gedankengut“ umzuwandeln, nahmen die meist schick gekleideten und redegewandten Jungparlamentarier unterschiedlich auf.

Es sei nicht gut, dass bei diesem wichtigen Thema eine Abgeordnete mit einigen Teilnehmern Änderungen durchsetzen wolle, kritisierte eine Bremerin. Im parteiübergreifend besetzten Arbeitskreis sei unbestritten gewesen, dass es um rechtsextreme Gewalt gehe. Ein anderer beantragte, die Abstimmung über den Entwurf zu streichen. Schließlich nahmen die Jungparlamentarier den ursprünglichen Resolutionsentwurf „mit sehr deutlicher Mehrheit“ an, wie Bundestagspräsident Thierse feststellte.

Als nächster stellte der Arbeitskreis „Europa – Fassade oder Chance“ seine Ergebnisse vor. Bei dem „Rundgang auf der Großbaustelle Europa“, wie der junge Sprecher aus der Schweiz es nannte, sei betont worden: „Das Europa von morgen ist unsere gemeinsame Zukunft.“ Danach forderte der Arbeitskreis „Jugend und Politik“ mehr Mitsprache für junge Menschen und mehr Transparenz, um Politik- und Politiker-Verdrossenheit abzubauen. Für die Raucher vor dem Plenarsaal blieb jedoch der Rechtsextremismus noch lange das Thema Nummer eins.

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